Der neue Smart Table wird zur Zeit bei Ihnen getestet und weiterentwickelt. Was ist Ziel und Erwartung, was soll der interaktive Tisch alles können?
Ruth Stock-Homburg: Der Tisch ist einzigartig. Wir erforschen gemeinsam mit VARIO und Prof. Dr. Max Mühlhäuser aus dem Bereich der Informatik hier an der TU Darmstadt diesen Tisch. Es gibt im Grunde nur ein einziges Unternehmen, das an einem ähnlichen Tisch forscht – das ist Microsoft. Man kann sich den Tisch wie ein riesiges Tablet vorstellen, an dem eine Gruppe zusammenkommt und gemeinsam arbeitet. Der Smart Table verfügt über alle Funktionen digitaler Endgeräte. Dokumente lassen sich zum Beispiel teilen und auf der Oberfläche verschieben. Was aber noch dazu kommt: alles ist im klassischen Sinn als Tisch nutzbar, mit oder ohne die interaktiven Funktionen.
Der Smart Table ist die Weiterentwicklung eines Vorgängermodells, was sind die Neuerungen?
Es gab einen Prototypen, der ähnliche Features hatte. Er entsprach aber eher einem liegenden Fernsehschirm, den man entsprechend behandeln musste. Man durfte zum Beispiel keine Dinge ablegen. Das ist nun möglich, und es gibt technische Erweiterungen. In der Wissenschaft hat man festgestellt, dass Gruppenarbeit dergestalt stattfindet, dass alle einen Aufgabenteil zusammen erledigen und einen Teil separat. An diesem Tisch lässt sich das kombinieren. Als Hilfsmittel dienen 3D-Brillen, es gibt unterschiedliche Bereiche, die über eine Kamera verschaltet werden. Darüber lassen sich ausgewählte Dokumente für jeden einsehen. Das ist ein besonderes Merkmal dieses Tisches.
In größerer Gruppe gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten, kennt man auch aus der alten Arbeitswelt. Sind das Prinzipien, die man in in die zukünftige digitale Arbeitswelt übernimmt?
Natürlich, man baut in der Zukunft auf dem auf, was man bereits aus der Vergangenheit kennt...
Andersherum gefragt, man könnte auch weiter dabei bleiben und Papier-Unterlagen verteilen oder Dokumente als email verschicken, an denen jeder für sich arbeitet.
Wenn jeder allein an seinem Laptop arbeitet, ist das keine Gruppenarbeit. Am Smart Table teilt man gemeinsam Dokumente. So wie man sich früher zum Beispiel über über große Stadtpläne gebeugt hat, schaut man sich nun einen großen Plan digital an. Man kann daran direkt arbeiten, Punkte markieren, ändern und abspeichern. Eine weitere Frage ist: Wo geht die Reise hin? Die Reise geht dahin, dass wir den Smart Table mit anderen Technologien verbinden können. In einem weiteren Forschungsprojekt geht es darum, dass der Tisch mit einem humanoiden Roboter interagiert. Immer mehr Dienstleistungsunternehmen in Handel, Gastronomie, aber auch im Gesundheitsbereich setzen humanoide Roboter an ihrer Kundenschnittstelle ein.
Was wir ebenfalls gerade erforschen ist die Verbindung des Tisches mit Augmented Reality, sprich, dass Gegenstände auf den Tisch projiziert werden und sich mithilfe einer AR-Brille modifizieren lassen. Denken Sie beispielsweise an Pläne für einen Motor, den Sie gerade entwickeln. Über AR lässt sich der Motor projizieren und mithilfe einer Brille ist er drehbar. Der Motor ist zwar virtuell, aber er ist vor Ihren Augen drehbar. Die Microsoft HoloLens leistet das in gewisser Weise schon.
Wie weit ist die Entwicklung des Smart Table? Wird er im Leap in Time Lab bereits ausprobiert?
Ja, der Tisch ist bei uns im Einsatz, wird ausprobiert, weiterentwickelt, und wir forschen ständig daran.
Leap in Time beschäftigt sich mit der Arbeitswelt der Zukunft. Was sind weitere Projekte, die Sie mit vorantreiben?
Wir treiben gar nicht so viel voran, aber wenn wir uns mit etwas beschäftigen, dann sehr gründlich. Eine weitere wichtige Technologie neben dem Smart Table ist Smart Lighting, also ein intelligentes Lichtsystem ohne Lichtschalter. Sensoren messen das Außenlicht und berechnen den Lichtbedarf. Dadurch werden bis zu etwa 90 Prozent der Lichtkosten und 80 Prozent des Energiebedarfs eingespart. Wir kombinieren diese Lichtsysteme mit anderen Technologien, einerseits mit einem Sprachsteuerungssystem, andererseits über angekoppelte Roboter, denen man Befehle erteilt. Und wir sind natürlich permanent am Thema Robotik. Wir haben selbst verschiedene Roboter im Lab: Humanoide Roboter setzen wir in Experimenten, aber auch in Seminaren ein. Diese Roboter entwickeln wir weiter, zum Beispiel drucken wir gerade einen humanoiden Roboter in 3D-Druck. Den Plan hat ein französischer Programmierer frei verfügbar ins Netz gestellt. Und wir sind mit einem japanischen Hersteller in Kontakt, der androide Roboter herstellt, die man fast nicht mehr vom Menschen unterscheiden kann. Sobald wir die Freigaben für die Forschungsgelder erhalten haben, geht es nach Japan und der Roboter wird konfiguriert.
RUTH STOCK-HOMBURG, Jahrgang 1972, gründete 2012 das Forschungszentrum Leap in Time GmbH als Spin-Off der TU Darmstadt. Sie installierte 2016 das Leap in Time Lab in Darmstadt. In diesem Lab werden Arbeitswelten der Zukunft ausgestellt und erlebbar gemacht. Seit 2006 ist sie Leiterin des Fachgebiets für Marketing und Personalmanagement an der Technischen Universität Darmstadt. Sie wurde im Handelsblatt-Ranking mehrfach als forschungsstärkste BWL Professorin im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet.