Blick hinter die Kulissen

Der neue und der alte VARIO-Produktionsleiter über die Staffelübergabe

Generationswechsel in der VARIO-Produktionsleitung: Im Mai hat Marcel Schäfer den Posten übernommen. Davor war Thomas Linden 20 Jahre lang Leiter der Fertigung und hat viele Veränderungen begleitet. Ein Generationswechsel zu einem Zeitpunkt, an dem Neu-Organisation, Automatisierung und Digitalisierung weit entwickelt, aber noch nicht abgeschlossen sind. Mehr über die Staffelübergabe von dem alten und dem neuen Produktionsleiter.

Sie sind neuer Produktionsleiter und haben jüngst die Technikerschule und die Meisterschule absolviert als jeweils Jahrgangsbester. War die Meisterschule die Voraussetzung, um Produktionsleiter zu werden?
Marcel Schäfer: Die Meisterschule ist keine zwingende Voraussetzung. Mein beruflicher Werdegang begann in Bremen, wo ich meine Lehre zum Schreiner im Handwerk absolviert habe. Anschließend wechselte ich den Betrieb und sammelte Erfahrungen in den verschiedensten Bereichen, bevor ich mich für eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker sowie zum Schreinermeister entschloss. Wenngleich der Meister keine Voraussetzung ist bin ich der Meinung, die Leitung der Produktion erfordert ein gewisses Maß an Erfahrung, ein breites Knowhow und Führungskompetenzen. Insofern ist die berufliche Qualifikation durchaus ein starkes Kriterium, schließlich werden hier viele der erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt. Im November 2021 habe ich bei VARIO zunächst als stellvertretender Produktionsleiter angefangen und dann frühzeitig – mit einem halben Jahr Übergangszeit – die Leitung der Produktion übernommen.
 

Thomas Linden, Sie sind schon sehr lange bei VARIO und haben 20 Jahre lang die Produktion geleitet. Allein in den vergangenen Jahren hat sich sehr viel verändert. Die Fertigungsanlagen wurden modernisiert. Die zunehmende Digitalisierung ist ein wichtiges Thema. Welche großen Veränderungen haben Sie erlebt?
Thomas Linden:Ich bin seit 41 Jahren im Unternehmen und war seit 2002 Produktionsleiter. Ursprünglich habe ich Holzmechaniker gelernt, jung die Meisterprüfung abgelegt, und dann wirklich alle Abteilungen bei VARIO geführt, Teilefertigung, Montage, Sonderwerkstatt, Oberfläche und die Lagerhaltung mehrere Jahre betreut. Als ich die Produktionsleitung übernahm war die erste große Herausforderung der Umzug von Kelkheim nach Liederbach. Wir sind von einer räumlich sehr breiten Produktionsfläche zu einer sehr schmal organisierten Produktionsfläche umgezogen. In Kelkheim hatten wir fast 12.000 Quadratmeter umbauten Raum und in Liederbach nur 5500 Quadratmeter. Die Herausforderung war, den gleichen Umsatz bei geringerer Fläche mit dem gleichen Personal zu verwirklichen. In dieser Zeit gab es auch Veränderungen der Inhaber. Aber die größte Veränderung war dann vor fünf Jahren die Modernisierung der Fertigungsanlagen. Das bedeutete grundsätzliche Überlegungen, wie man das Unternehmen für die Zukunft aufstellt und welchen Maschinenpark man dafür benötigt.
Das war ein großer Schritt, die Investitionssumme lag bei fast 4,5 Millionen Euro. Als Produktionsleitung hat uns das gefordert. Einmal die Anschaffung der Anlage und zum anderen, die Mitarbeiter auf die Veränderung der Produktionsweise vorzubereiten. Der nächste Schritt war die Umstellung auf die Digitalisierung, die in der Teilefertigung mittlerweile auch abgeschlossen wurde. Meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt zur papierlosen Produktion. Der nächste Schritt war, dies auf die Montage zu übertragen. In dieser Phase befinden wir uns derzeit. Dies wird eine der ersten Herausforderungen von Herrn Schäfer sein.

Was bedeutet Digitalisierung in der Möbelfertigung im Detail?
Thomas Linden: Es bedeutet, man kann jedes Bauteil zu jeder Zeit im System aufrufen und nachvollziehen in welchem Bearbeitungsschritt es sich befindet. Heute arbeiten wir mit Barcode, jedes Teil wird identifiziert und zugeordnet, wann es wofür benötigt wird. In der Montage arbeiten wir aber noch mit Papier, also klassisch mit Möbel-Schein und Stückliste. Wir drucken derzeit noch zu viele Scheine aus. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Die Umstellung in der Montage auf papierloses Arbeiten hat aber bereits begonnen. Darüber hinaus müssen wir in der Teilefertigung noch weiter umdenken und Losgrößen verkleinern. Die Wochenproduktion in der Teilefertigung wurde im ersten Schritt gesplittet. Ziel ist eines tagesgenaue Produktion in allen Bereichen. Dieser Prozess ist derzeit am Laufen, der Maschinenpark ist dafür ausgelegt, die Herausforderung ist, dies mit den Mitarbeitern gemeinsam umzusetzen.
 


Marcel Schäfer, ist das die Herausforderung für Sie, diesen Schritt umzusetzen?
Marcel Schäfer: Ja, absolut. Das Schlagwort ist hier Industrie 4.0, wofür auch wir uns rüsten müssen, um dynamisch und flexibel agieren zu können. Losgröße 1 spielt für unsere Kunden eine zunehmend größere Rolle. Das erfordert automatisierte Prozesse, welche clever mit Mensch und Maschine verknüpft sind. Dieser Wandel stellt eine große Herausforderung dar, birgt aber enormes Potential. Wir erhöhen damit unsere Produktivität, verkürzen die Durchlaufzeiten und sind besser in der Lage, die Produktion zu steuern.

Die Umstellung der Maschinen vor einigen Jahren bedeutete, dass man flexibler produzieren kann, auch kleinere Mengen unterschiedlicher Produkte. Aber ist man zwangsläufig auch schneller?
Thomas Linden: Es ist unser Ziel, Vorfertigung, Montage und Versand auf einem gemeinsamen Weg zu bringen, um kürzere Lieferzeiten zu gewährleisten und dabei die Flexibilität nicht einzubüßen. Es ist etwas anderes, ob ich eine Produktion mit 5000 Teilen in der Woche organisiere oder eine Tagesproduktion mit 1000 Teilen. Die Summe der Teile in der Woche ist zwar gleich, aber die Bereitstellung pro Tag in der Montage erleichtert sich enorm. Für die Mitarbeiter ist ein Umdenken erforderlich, wenn von Wochen- auf Tages-Produktion umgestellt wird. Da kann man nicht einfach sagen das mach ich morgen! Nachfolgende Abteilungen kommen ansonsten in Lieferschwierigkeiten, da jede Abteilung als Lieferant der nächsten Abteilung angesehen werden muss. Eine solche Umstellung erfordert viel Disziplin aller Beteiligten.

Was heißt das in der Konsequenz? Permanente Weiterbildung der MitarbeiterInnen, Umstellungen, Schulungen, Bewusstseinsveränderungen, dass es eben jetzt anders ist. Weitere Beratung bei der Umstellung wie es vor zwei Jahren schon stattfand? Wie formuliert sich das aus Ihrer Sicht?
Marcel Schäfer: Das sind alles Dinge, die ein Wandel mit sich bringt und stattfinden werden. Möglicherweise ist es da von Vorteil, dass ich unvoreingenommen von außen zu VARIO stoße und einen anderen Blickwinkel mitbringe. Veränderungen bedeuten, die Komfortzone zu verlassen und sich frei von Gewohnheiten und Routinen zu machen. Diese Umstellung vollzieht eine Produktion nicht allein, vielmehr bedarf es guter Teamarbeit mehrerer Abteilungen.

Was sind aus Ihrer Sicht noch weitere Herausforderungen? Die Arbeitswelt steckt im Wandel. Der Produktmix verändert sich. Das papierlose Büro, Digitalisierung, neue ergonomische Erkenntnisse haben das Produkt-Programm verändert.Gibt es Weiteres, was man bereits absehen kann?
Marcel Schäfer: Stimmt, die Arbeitswelt und damit auch die Büromöbelindustrie unterliegen einem stetigen Wandel. In Zeiten der Digitalisierung und der noch immer herrschenden Pandemie ist die Veränderung deutlich spürbar. Trends und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen ist ebenfalls eine Herausforderung, aber spannend zugleich. Es liegt allerdings weniger in Händen der Produktion, sich auf einen ändernden Produktmix einzustellen. Was wir tun ist eine Reaktion und damit das Erarbeiten fertigungstechnischer Lösungen.

Thomas Linden: Ich hatte in meinem Büro 30 Meter laufende Akten, nur für den Bereich Produktion. Heute habe ich noch 8 Meter zu Verfügung für Produktion, Instandhaltung und Gebäude. Aufgrund der Digitalisierung reicht dies vollkommen aus. Somit hat sich auch das Möbel geändert, das heute im Büro benötigt wird. Wir haben in den vergangenen Jahren schon sehr viel bewegt und sehr viel verändert, was erst im Rückblick bemerkt wird. Unsere Investitionen wurden so gewählt, dass wir an unserer Anlage weiter anbauen könnten, um Verkettungen unter den Anlagen noch zu optimieren. Dabei war immer die Überlegung wie könnte die Produktion in fünf Jahren aussehen.

Marcel Schäfer, Sie sind in der Pandemie zu VARIO gekommen, die ja Auswirkungen hat auf MitarbeiterInnen, auf Krankenstandszahlen, zwischendurch auch auf die Auftragslage. Was hat das einem abverlangt?
Marcel Schäfer: Auch wir sind von der Pandemie stark betroffen. Die Auftragslage hat uns in der Produktion zeitweise in die Kurzarbeit gezwungen, nicht aber in die Knie. Ab Juli 2022 starten wir wieder durch und blicken angesichts der aktuellen Auftragszahlen positiv in die Zukunft. Einige Mitarbeiter sind inzwischen einmal an COVID-19 erkrankt und wieder genesen. Streckenweise hat das viel abverlangt, wir mussten rotieren und die fehlende Arbeitszeit kompensieren. Dank unseres Hygieneplans waren wir aber in der Lage, eine Kettenreaktion zu unterbinden. Des Weiteren sind wir im Einkauf von Lieferketten-Problemen und stetigen Preiserhöhungen betroffen, was uns vermutlich auch noch eine Weile begleiten wird.

Sie sind 31 Jahre alt. Leitende Positionen an Jüngere zu vergeben, bedeutet immer auch ein Generationenwechsel. Ist das jetzt auch für alle Beteiligten ein guter Moment, Dinge in Bewegung zu bringen?
Marcel Schäfer: Ich denke, es ist sehr wichtig für ein Unternehmen, sich frühzeitig und vorausschauend mit diesem Thema zu befassen. VARIO tut dies nicht nur in meinem Fall, sondern setzt auch in anderen Bereichen auf junge Führungskräfte. Dieser Generationswechsel kann nochmals neuen Schwung hineinbringen, zumal die Ausbildungsinhalte aktuell sind, gewohnte Prozesse womöglich hinterfragt und andere Betrachtungsweisen dargelegt werden. Ich schätze sehr, dass VARIO in meinem Fall früh gehandelt hat. So bleibt Herr Linden mir als Ansprechpartner mit seinem großen Erfahrungsschatz erhalten und steht mir bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite.

Wie bleiben Sie dem Unternehmen erhalten?
Thomas Linden: Ich habe noch vier Jahre bis zur Rente, das werde ich auch durchziehen. Derzeit kümmere ich mich um alles Technische am und im Gebäude. Meine Schwerpunkte ist Gebäudemanagement, der kompletten Brandschutz, alle Instandsetzungsarbeiten, Klima, Heizung und Lüftungstechnik. Diese Aufgaben habe ich vor einigen Jahren mit übernommen, aber Produktionsleitung und Gebäudemanagement wurden einfach immer mehr, so dass ab und zu etwas hinten heruntergefallen ist. Dies soll sich jetzt ändern. Die Mitarbeiter sagen im Scherz immer, dass ich jetzt den Hausmeister mache!!

MARCEL SCHÄFER, Schreiner und Schreinermeister. Er absolvierte die Fachschule Holztechnik in Melle und die Meisterprüfung vor der Handwerkskammer Osnabrück jeweils als Bester seines Jahrgangs und ist seit Mai 2022 der neue Leiter der VARIO-Produktion.

THOMAS LINDEN, Holzmechaniker und Industriemeister. Er arbeitet seit 1981 bei VARIO, davon 20 Jahre als Produktionsleiter.

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