Insgesamt haben Sie fast drei Dutzend Bücher geschrieben. Ihr erstes Buch über Gelassenheit erschien bereits vor dreizehn Jahren. Ist das Thema wieder aktuell?
Sabine Asgodom: 2004 war das Thema ein Renner und ging wirklich ab. Das Buch verkaufte sich hervorragend, ich hielt viele Vorträge, aber so ungefähr 2008 wars tot, wirklich tot. Kein Mensch wollte mehr etwas über Gelassenheit erfahren. Alle waren mit der Krise beschäftigt. Nun zieht es seit drei, vier Jahren wieder extrem an.
Weil wir in Zeiten neuer Umbrüche und Unsicherheiten leben?
Und wir zuviel um die Ohren haben, ja, und Gelassenheit dringend brauchen. Ein guter, klarer Kopf hilft in unruhigen Zeiten.
Wie hat sich der Umgang mit Gelassenheit über die Jahre verändert?
Die Sensibilität für das Thema hat sich erhöht und in Unternehmen herumgesprochen, das hat sich wirklich verändert. Ich habe das Thema mal einem Personalchef vorgeschlagen, und der fragte mich mit großer Ernsthaftigkeit, was denn jetzt Humor mit Erfolg zu tun hätte. Das ist heute keine Frage mehr. Man weiß, dass man Mitarbeiter begeistern muss, und dass die Mitarbeiter begeistert gehören, und dass Humor sehr viele Konflikte lösen kann.
Humor als Schlüssel zu mehr Gelassenheit, weil auf Dinge, die man einfach nicht lösen kann, zumindest ein humorvoller Blick hilft?
Absolut ja. Wenn in einem Team gelacht wird, leistet es bessere Arbeit. Wenn es ein Team schafft, Konflikte relativ früh zu lösen, dann geht weniger Zeit und weniger Energie verloren. Mehr Großzügigkeit miteinander – die ja auch ein Schlüssel zur Gelassenheit ist – nimmt Stress raus. Heute weiß man, dass wir alles machen müssen, um uns selbst und unseren Mitarbeitern den Stress zu nehmen. Meine Aussage im Vortrag lautet, Stress macht blöd, etwas verkürzt formuliert. Aber es ist wirklich wissenschaftlich erwiesen, dass Stress die Kreativität killt.
In ihren Vorträgen argumentieren Sie angenehm konkret. Sie berufen sich auf Volksweisheiten. Ihre Großmutter kommt zu Wort. Welche alten Wahrheiten stecken darin?
Es gibt da unglaublich viel. Bestimmte Dinge wussten Menschen immer schon, ich erfinde da auch nichts. "Kein Leid vor der Zeit", sagte zum Beispiel immer die Großmutter einer Freundin, ein herrlicher Spruch für solche Sich-Sorgen-Macher und Bedenkenträger, die heute schon überlegen, was nächstes Jahr Schlimmes sein wird. Der Satz bedeutet ja auch: mach Deine Arbeit, erfreue Dich Deines Lebens, mach hinne, aber mach Dir erst Sorgen, wenn es soweit ist und nicht vorher schon. Eine Studie in der Schweiz untersuchte für viel Geld, wie man abends besser zur Ruhe kommt. Man fand heraus, was mein Großvater immer schon gemacht hat. Ich komm aus einem kleinen Dorf, er ist abends vor die Tür getreten, hat nochmal frische Luft geschnappt, geschaut, ob alle Fenster und Türen verschlossen sind, und dann hat er sich ins Bett gelegt, um zu schlafen. In der Studie kam heraus, dass das genau das Beste sei. Ich spreche viel mit Älteren darüber, wie habt ihr das früher gemacht, ohne Sushi und Caipirinha. Was immer wieder rauskommt: die Erfahrung der Gemeinsamkeit und Gemeinschaft. Wir können eine ganze Menge von alten Leuten lernen. Großeltern haben nicht immer recht, die sagen auch doofe Sachen. Dennoch existiert eine Oral History, wie die Amerikaner sagen. Wissen, das von Generation zu Generation weiter gegeben wird.
Sie sind sehr viel auf Vorträgen unterwegs, moderierten zwei Jahre lang Ihre eigene Coaching-Show. Heißt, Sie treten viel vor Publikum und in der Öffentlichkeit auf. Wie gehen Sie mit Lampenfieber und Aufregung um?
Habe ich nicht.
Nie?
Ich war zum Beispiel vor einigen Tagen in Köln für die Aufzeichnung von "Kölner Treff", und ich ging in das Studio und freute mich einfach. Warum sollte ich Stress haben? Ich erzähle das, was ich weiß. Ich werde gefragt, und antworte auf das, was ich gefragt werde. Ich sage, was ich denke, und damit habe ich keinen Stress.
Ist diese Gelassenheit durch Übung erzeugt oder war es bei Ihnen immer so?
Ganz am Anfang war ich aufgeregt, als ich mit den Vorträgen angefangen habe, so die ersten ein, zwei Jahre. Aber ich habe mir klar gemacht: wenn ich das sage, von dem ich überzeugt bin, muss ich keinen Stress fürchten. Ich gehe davon aus, dass auch einige doof finden, was ich sage, sie haben eine andere Meinung und eine Lebenserfahrung, darüber kann man reden. Schwieriger wird es, wenn man ewige Weisheiten verkünden will. Deswegen empfehle ich zum Beispiel Rednern, nicht zu missionieren und Wahrheiten zu verkünden, sondern zu sagen, dass es sich nach der eigenen Erfahrung so und so verhält.
Schwierige oder eskalierende Situationen kann man sich retrospektiv immer besser erklären, oder?
Ja, aber das gilt natürlich nicht für alles, niemand wünscht sich krank zu sein undsoweiter. Aber viele Dinge, die wir nicht bekommen, entpuppen sich hinterher als genau richtig. Man kriegt einen Job nicht, den man eigentlich gerne hätte. Und hinterher kommt ein viel besserer Job. Der Schriftsteller Eugen Roth hat mal gesagt: "Der Mensch schaut in der Zeit zurück, und sieht sein Unglück war sein Glück." Ich glaube fest daran, dass es manchmal so ist.
Das klingt, als gehen Sie mit schwierigen Situationen wirklich gelassen um. Was bringt Sie selber noch zur Weißglut?
Das meiste bekomme ich mit viel Humor gut hin. Weißglut kenne ich so nicht, ich mache meinen Mund auf und sage, was mich stört. Da habe ich auch keine bange. Weißglut geschieht, glaube ich, wenn man sich zu lange zurücknimmt, und dann bricht es aus einem heraus. Ich bin ein Mensch, der immer sagt, was er denkt. Aber was mich ärgert sind rücksichtslose Menschen, die anderen schaden.
SABINE ASGODOM, Jahrgang 1953, ist Management-Trainerin, Vortragsrednerin und Autorin. Bevor sie sich 1999 in München als Coach selbstständig machte, arbeitete sie als Journalistin. 2011 bis 2013 moderierte sie im Bayerischen Fernsehen ihre eigene Coaching-Show. www.asgodom.de