Statement/Interview

Simone Kaempf Fotos Stegreif-Entwürfe Bastian Feltgen, Nina Kaul, Naomi Rossignol

Nachwuchsförderung in der Innenarchitektur

Für angehende Innenarchitekten gibt es nur wenige Preise oder Stipendien. Die Nachwuchs-Förderung konzentriert sich vor allem auf Studierende der Architektur und des Produktdesigns. Umso mehr Bedeutung hat in den vergangenen Jahren das Stipendium der Architektur-Zeitschrift AIT und der Sto-Stiftung gewonnen, das sich an Studierende der Inneneinrichtung richtet. An diejenigen also, die später auch in der Gestaltung von Büroräumen tätig sind.

Das Stipendium wird jährlich von einer Jury an drei bis maximal sechs Studierende vergeben und ist das einzige Nachwuchsprogramm mit entsprechender Breitenwirkung. Wir sprachen mit Kristina Bacht, Kuratorin der AIT-ArchitekturSalons, Mitorganisatorin und Jurorin des Preises, und mit den ehemaligen Stipendiatinnen Yana Zschiedrich und Nadine Kesting.
 

Frau Bacht, was ist Ziel des Stipendiums?

Das Stipendium ist tatsächlich eine Begabtenförderung, wir wollen auf die Begabung der Studenten schauen und sehen anhand von Projekten und Stegreif-Entwürfen welche kreativen Lösungen gefunden werden.


Sind die unterschiedlichen Innenarchitektur-Studiengänge in den Ländern nicht doch sehr unterschiedlich konzipiert?

Das stimmt schon, die Studiengänge sind divers, es gibt inzwischen viele verschiedene Schwerpunkte. Das Studium hat sich nach Einführung des Bachelor- und Mastersystems verändert. Es geht zwar grundsätzlich überall um ein Studium des Innenraums, das fällt aber selbst in Deutschland je nach Hochschule unterschiedlich aus. Wenn ich mir zum Beispiel die Hochschule in Rosenheim anschaue, geht es dort stärker um Produktdesign und deren Einsatz in Innenräumen als um architektonische Raumlösungen, und es gibt andere Studiengänge, in denen man sich auf architektonische Aspekte konzentriert, Ladenbau beispielsweise, für den man ein Stück weit Spezialisten ausbildet. Andere Studiengänge legen wiederum wert aufs digitale Entwerfen.


Drei Studenten wurden in diesem Jahr für das Stipendium ausgewählt. Wodurch zeichnen sich die Arbeiten aus und nach welchen Kriterien fiel die Entscheidung?

Wir haben die überzeugendsten innenarchitektonischen Haltungen ausgewählt. Die Studierenden müssen einerseits eine Projektarbeit einreichen und sie bekommen andererseits von uns eine konkrete Stegreif-Aufgabe gestellt. Die Vergleichbarkeit ist schwieriger, man kann nicht ein Möbelstück vergleichen mit einer innenräumlichen Transformation eines Bürogebäudes. Und weil die Semesterarbeiten, nach der wir fragen, oft auch in Gruppenarbeit bearbeitet werden, stellen wir seit einigen Jahren eine individuelle Stegreif-Aufgabe. In diesem Jahr ging es darum, einen Raum zu entwerfen, der das Phänomen einer Wald-Lichtung abstrahiert. Wenn eine Aufgabe gestellt wird, die für alle gleichermaßen zu lösen ist, kann man die Ergebnisse einfach besser vergleichen. So ergibt sich ein Gesamtbild, aus dem sich viel herauslesen lässt. Das sind alles Puzzleteile für die Jury, die dann gemeinsam intensivdiskutiert werden. Am Ende war es in diesem Jahr dann eine sehr klare Entscheidung für die drei Stipendiaten.


Der Jahrgang, der zur Zeit gefördert wird, ist der siebte Jahrgang. Das Stipendium wird seit 2011 vergeben. Welches Zwischenresümee ziehen Sie?

Wir sehen, dass die ehemaligen Stipendiaten ihr Versprechen halten und engagiert weitermachen. Wir vergeben das Stipendium seit vielen Jahren, wollen das auch viele Jahre weitermachen, und bereits jetzt ist ein Netzwerk entstanden, das die Studierenden und die Hochschulen über die Förderung hinaus nutzen. Aus unserer Sicht ist eine Plattform entstanden, und das wollen wir damit auch ein Stück weit bewirken, denn es gibt sehr viele Stipendien und Plattformen für Architekten, aber wenige für den Nachwuchs und noch weniger für den innenarchitektonischen Nachwuchs.


KRISTINA BACHT, Jahrgang 1975, ist Verlagsleiterin GKT, Kuratorin der AIT-ArchitekturSalons und gehört zur Jury des AIT-Stipendium der Sto-Stiftung zusammen mit den fünf weiteren Mitgliedern: Prof. Peter Cheret (Mitglied im Stiftungsrat der Sto-Stiftung und Cheret Bozic Architekten, Stuttgart), Jessica Borchardt (BN Architekten, Hamburg), Christine Pille (cubik3 Innenarchitekten, Hamburg), Nik Schweiger (barefoot design und 3deluxe biorhythm, Berlin) und Uwe Koos (Vorsitzender des Stiftungsvorstands).

Mehr unter www.ait-architektursalon.de

 

Yana Zschiedrich erhielt das AIT-Stipendium während ihres Studiums der Innenarchitektur an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

Sie haben das Stipendium im Jahr 2014 erhalten. War das vor allem eine finanzielle Unterstützung oder hatte es auch andere unterstützende Wirkung?

Yana Zschiedrich: Finanziell sowieso. Damals habe ich von meinen Eltern gelebt und konnte mich mit den 500 Euro monatlich für den Zeitraum finanziell emanzipieren. Motivierende Wirkung gab es auch, ich glaube, da bin ich kein Einzelfall, generell wirkt solche Förderung sehr motivierend. Man bekommt halt eine Bestätigung.

 

Das ist auch eine Bestätigung der eigenen Arbeit, die von außerhalb der Hochschule kommt, oder?

Ich musste damals im Bewerbungsverfahren ein Konzept schreiben, was für mich einen guten Raum ausmacht, und hatte das Gefühl, dass ich durch das Ganze auch etwas gelernt hatte und es mich weitergebracht hat. In der Regel ist man ja doch in der Hochschulblase gefangen. Man ordnet sich ein, indem man sich vergleicht mit den Kommilitonen oder die Kritik annimmt von den Professoren. Aber dann hört es fast schon auf.

 

Wie ist Ihr Weg dann weitergegangen? Heute studieren Sie Kunst in Leipzig.

Meinen Weg als solches hat das Stipendium sicher nicht beeinflusst. Wie das Stipendium sich in meinen Bewerbungen gemacht hat, das kann ich nicht beurteilen. Aber definitiv fand eine Emanzipation gegenüber meinen Professoren statt. Mit der Zeit entwickelte ich das Gefühl, dass ich mit dem, was ich mache, so falsch nicht liege. Ich habe mich dann mehr getraut, und vielleicht hat sich dadurch auch in meinem Weg etwas geändert. Denn ich beschloss, ich will freier mit dem Raum arbeiten, weniger als Dienstleister, mehr als Künstler und bin dann zum Beispiel kurzzeitig ans Theater gegangen.

 

Wohin zieht es die Innenarchitektur-Studenten, die mit Ihnen an der Burg in Halle begonnen hatten?

Einige zieht es in die Szenografie, weil der Wunsch nach dem freien Betrachten des Raums doch sehr groß ist. Kommilitonen sind zum Film und ans Theater gegangen. Andere studieren weiter, Architektur zum Beispiel, oder versuchen, sich als freie Innenarchitekten durchzukämpfen. In meinem Umfeld zumindest findet immer noch eine Suche statt und man will sich noch weiterentwickeln.
 

YANA ZSCHIEDRICH, Jahrgang 1987, studiert derzeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und absolvierte 2015 den Bachelorabschluss an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

 

 

Nadine Kesting erhielt das AIT-Stipendium 2015 während des Studiums in Halle.

 

Was hat das Stipendium für Sie bedeutet?

Ich hatte die Idee, im Rahmen meines Studiums ein selbstorganisiertes Auslandssemester in Afrika zu verbringen. Es gab schon die Möglichkeit vom Promo-Stipendium eine kleine Unterstützung zu bekommen. Für die Lebenshaltungskosten hätte das aber nicht gereicht. Das AIT-Stipendium ermöglichte, tatsächlich für ein Projekt nach Mali zu geben.

 

Um was für ein Innenarchitektur-Projekt hat es sich genau gehandelt?

Zwei italienische Architekten haben einen Verein gegründet, Africa Bougou Associazione Onolus, der fünfzehn Minuten von Mali Hauptstadt in einem Ort aktiv ist. Wir haben dort zum Beispiel ein Freilichtkino initiiert. In einer Gemeinde gab es einen Raum für Bücher, Bibliothek wäre übertrieben, jedenfalls einen Raum, in dem man auch lernen kann, den wir renoviert und mit den vorhandenen Büchern eingerichtet haben. Beim Umgang mit den Räumen dort ging es um einfache Fragestellungen: was kann man dort entwickeln, was macht Sinn? Man musste mit dem arbeiten, was dort vorhanden ist, was gebraucht wird, und musste im Hinterkopf behalten, dass man den Ort ja auch wieder verlässt.

 

Wie verlief Ihr Studium dann weiter nach dem Auslandssemester?

Ich habe erstmal ganz normal in der Innenarchitektur mit einem Semesterprojekt weitergemacht. Danach ein Gastsemester im Bereich Bildende Kunst eingelegt und dann drei Monate ein Istanbul-Stipendium bekommen. Für Istanbul konnte man sich hochschulintern bewerben. Die Hochschule hatte dort eine Wohnung, das war eine sehr schöne Erfahrung, mittlerweile ist das jedoch abgeschafft.

 

Wie schätzen Sie die Nachwuchsförderung für angehende Innenarchitekten ein?

Nicht so gut. Es gibt wenig große Stipendien, eigentlich nur das AIT-Stipendium. Man merkt selbst beim internen Designpreis der Hochschule, dass aus dem Bereich Innenarchitektur wenig Projekte nominiert werden, das sind eher Einzelfälle und wenn, dann eher aus dem Bereich Möbel. Das konzeptionelle Nachdenken hat es schwerer und ist in der Hinsicht weniger greifbar.

Sie haben das Studium im Sommer mit dem Bachelor abgeschlossen. Was machen Sie jetzt?

Ich suche einen Job. Am liebsten fest in einem Architekturbüro, um erstmal Berufserfahrung zu sammeln.

NADINE KESTING, Jahrgang 1987, studierte Innenarchitektur an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und schloss im Sommer 2017 mit dem Bachelor ab. Website: nadinekesting.de

 

Ausgewählt wurden für das Stipendium 2017: Bastian Feltgen (The Royal Danish Academy of Fine Arts, School of Architecture), Nina Kaul (Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle) und Naomi Rossignol (Royal Academy of Arts, Den Haag), auf die sich das Preisgeld in Höhe von 24.120 Euro verteilt.

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