Statement/Interview

Simone Kaempf Fotos Imm Cologne

Maximal flexibel, verstell- und verschiebbar

Die Generation Z ist im Anmarsch. Aber welche Möbel wünschen sich die nachwachsenden Jahrgänge? Die Designerin und Trendforscherin Barbara Busse spricht nächste Woche auf der internationalen Einrichtungsmesse Imm Cologne über die Erwartungen der Millennials und der Generation Z. In welchen Wohn- und Büro-Räumen wollen diejenigen arbeiten, die heute Anfang zwanzig sind? Mehr über deren Anforderungen an zukünftige Interieurs im Interview.   

Frau Busse, in ihrem Vortrag auf der Imm Cologne sprechen Sie darüber, was die Generation Z von Interieurs erwartet, diejenigen also, die nach 1995 geboren sind. Was ist bei dieser Generation anders?
Diese Generation Z birgt Herausforderungen, weil sie sich in ihrem Verhalten wirklich stark unterscheidet. Sie sind die ersten, die komplett in einer digitalen Umgebung aufgewachsen sind und alle Service-Angebote als on-demand kennengelernt haben. Diese Verfügbarkeit von Dienstleistungen und Waren unabhängig von Öffnungszeiten unterscheidet sie. Die Verfügbarkeit von allem, was man gerade möchte, ist auch etwas, was sie in die Arbeitswelt übertragen und die nine-to-five-Grenzen schwinden lässt. Generation Z arbeitet gern mobil. Ein Tischler oder Schreiner wird natürlich immer noch dort arbeiten, wo die Kreissäge steht. Aber in einer Wissens- und Innovationsgesellschaft geht es anders zu, man arbeitet anders, schaltet sich von überall zu. Teams werden nicht mehr zwingend zusammen sitzen.

Will diese mobile Generation Z überhaupt noch eigene Möbel? Man könnte sich einfach etwas mieten. Wie verändert sich die grundsätzliche Haltung zu Möbeln? 
Anders als man durch den Boom der Sharing-Economy erwarten könnte, allen voran das Car-Sharing, hält die Generation Z wenig von dieser Art des Teilens. Möblierte Wohnungen statt eigener Möbel sind für sie keine Dauerlösung. Das geht soweit, dass die Anforderungen an Küchen sehr stark betroffen sind. Investiere ich zehntausend Euro, um mit schweren Dübeln eine Küche an die Wand zu bringen, die ich beim nächsten Umzug verkaufe? Eher nicht. Für die nächste Generation wird es ganz andere Angebote geben: Module und Küchenmodule, die man mitnehmen kann und die zum Beispiel auch die Nutzung der Küche im Wohnraum ermöglichen. Neben den Arbeits-Szenarien ist das etwas, wo sich Wohnungen sehr stark verändern. Grundsätzlich erwartet man von Möbeln viel höhere Flexibilität, dass man sie leicht umstellen kann und alles bei Umzügen leicht zu transportieren ist. Man spricht auch von modernen Nomaden.

Was schließen Sie daraus auf zukünftige Büro-Interieurs?
Dass es mehr funktionale Arbeitsmöbel gibt, die auch visuellen Anforderungen gerecht werden. Deren Ästhetik verändert sich, und alles sieht weniger nach Büro aus. Auch der ergonomische Steh-Arbeits-Tisch, den man dann zuhause hat, sieht anders aus als im klassischen Büro. Die Generation Z ist geprägt von den sozialen Medien. Bei Farben und Materialien sind sie sehr progressiv. Den klassischen Bürolook lehnen sie eher ab. Polarisierung ist für sie ganz typisch, denn sie möchten sich abgrenzen. Diese Generation lernt heute schon in der Schule, wie man Mind-maps erstellt und Präsentationen hält. Viele machen sich jung selbstständig oder steigen in Start-ups ein, wo man sich per se innovativer einrichtet zum Beispiel mit flexiblen Arbeitswänden und Tischen auf Rollen, die man hin und her schieben kann.

In der Büro-Gestaltung verändern sich die Räume, statt Einzel- und Doppelbüros plant man Open Spaces. Will die Generation Z wirklich in diesen Räumen arbeiten, findet sie darin ihre Erwartungshaltung erfüllt?
Ich merke in Gesprächen mit jungen BewerberInnen, dass der Wunsch nach Home-Office allgegenwärtig ist und das mit einem Selbstverständnis, das ich selbst so nie formuliert hätte als Berufseinsteigerin. Aber das Problem beim mobilen Arbeiten sind die fehlenden Ruhezonen. Es gab vor kurzem dieses Fernseh-Interview der BBC mit einem Wissenschaftler und mittendrin platzten die Kinder rein. Das ist eine total symptomatische Szene für das Arbeiten von zuhause und von unterwegs. Man muss sicherstellen, dass man ungestört sprechen kann. Ich habe früher bei der Deutschen Telekom gearbeitet, wo man letztes Jahr große Arbeitsflächen statt Einzelbüros schuf mit langen Tischen. Das hat einen wesentlichen Nachteil: die Lautstärke ist konstant hoch, so dass man nie in Ruhe sprechen kann. Das Konzept mit den offenen Räumen ist noch schwierig, weil die Akustik noch nicht ausreichend gelöst ist. Ich weiß von früheren Kollegen, die heute auf solchen Flächen arbeiten: es ist nicht zufriedenstellend und sie arbeiten lieber von zuhause aus. 

Wie lässt sich das lösen? Eine Annäherung der Ästhetik allein kann es ja nicht sein. 

Möbel sollten bestimmte Settings schafft. Beispielsweise Settings, in denen man Ruhe hat oder in denen einen keiner stört. Für mich ist das noch nicht ausreichend gelöst. Das wird interessant auf der imm cologne zu sehen, ob und welche Lösungen im Angebot sind. Wenn man noch die Orgatech ins Spiel bringt, beobachtet man übrigens klar, dass die Grenzen verschwimmen. Vor ein paar Jahren hat man noch genau gesehen, ja ich bin auf imm und es geht um Wohnmöbel, und ja ich bin auf der Orgatech und sehe Büro-Möbel. Die Ästhetik war grundverschieden. Jetzt nähert sie sich an. 

Einerseits wird mehr zuhause gearbeitet, andererseits gibt es dort immer weniger klassische Arbeitszimmer: welche Möbel braucht es fürs Home-Office?
Auf jeden Fall Möbel, die keine Fremdkörper sind. Diesen Brückenschlag findet man noch nicht so richtig. Es gibt ausgewiesene Büromöbel, die von der Ästhetik wohnlicher werden, oder ausgewiesene Wohnmöbel, bei denen werden dann aber keine ergonomischen oder arbeitsrechtlichen Informationen mitgeliefert. Wir arbeiten hier zum Beispiel gern mit Roll-Containern. Bei einem Workshop haben wir in so einem Roll-Container die ganzen Post-its und Stifte. Egal wer hier etwas schreibt, bastelt oder anheftet, schlört mit diesem leichten und offenen Roll-Container herum, das ist super-praktisch. Wenn ich in einem Wohnbereich arbeite, habe ich genauso die Notwendigkeit, Stecker, Kabel, USB-Sticks unterzubringen oder mal einen Ordner und Papier. Man braucht ja doch mehr als einen Laptop. Möbel, die man hinstellen und wieder wegschieben kann, sind dafür sinnvoll. Alles soll gemütlich und wohnlich sein. Gleichzeitig gibt es funktionale Grundansprüche an bestimmte Szenarien. Dies sind neuen Anforderungen der jungen Innovationsarbeiter. Das Aufbrechen der etablierten Möbelkategorien ist nun die Herausforderung, die die Hersteller zu meistern haben.     

BARBARA BUSSE, Jahrgang 1977, ist Produkt-Gestalterin und Trendresearcherin. Nach dem Studium an der Köln International School of Design arbeitete sie in internationalen Agenturen und Konzernen, zuletzt bei der Deutschen Telekom. 2016 gründete sie die Design- und Trendagentur Future+You www.futureandyou.de Vortrag "The Future Design Consumer 2022" auf der Imm Cologne am 18. Januar 2018, 14 Uhr, The Stage: Halle 3.1

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