Grundlagen/Wissen

von Melina Hau

Freitags immer frei

Zur zukünftigen Arbeitswelt gehört flexible, veränderte und höchstwahrscheinlich kürzere Arbeitszeit. Selbst die IG Metall forderte vor kurzem, dass man bei Bedarf auf 28 Arbeits-Stunden und Viertagewoche reduzieren könne - und zwar bei gleichem Gehalt. Was utopisch klingt, wird derzeit mit Erfolg ausprobiert.

Wer saß nicht schon mal vorm Computer und hat davon geträumt, um ein Uhr nach Hause zu gehen. Genau hier beginnt die Idee hinter der verkürzten Arbeitszeit. Durchschnittlich ein Viertel der Zeit im Büro, so Schätzungen, wird mit privaten E-mails, Gesprächen in der Kaffeeküche oder mit dem Träumen von kürzeren Arbeitszeiten verbracht. Bündelt man die effektive Arbeitsleistung bleiben zwei Stunden mehr für Freizeit, Familie und Privates. Nach der 5:2 Diät, dem All-In-One Shampoo ist das ein neuer Trend: die Viertagewoche beziehungsweise der Fünfstundentag.

 

Wie funktioniert es genau?
Das Konzept ist nicht neu und relativ simpel. Die Arbeitszeit wird verkürzt, entweder auf fünf Stunden oder vier Tage mit acht Stunden. Das Gehalt, die Urlaubstage und Sozialbezüge bleiben dabei aber gleich. Dafür wird in der kürzeren Zeit konzentrierter gearbeitet. Auf private Gespräche, zusätzliche Pausen und Ablenkungen wird verzichtet. In der Theorie soll das die Qualität für Mitarbeiter und Arbeitgeber verbessern. Ob die Idee auch in der Praxis funktioniert, testen aktuell Unternehmen weltweit.

 

Die neuseeländische Immobilienfirma Perpetual Guardian hat in einem Pilotprojekt die Viertagewoche zunächst für zwei Monate übernommen. Sowohl der Arbeitgeber als auch die Angestellten waren so zufrieden, dass das System nun beibehalten wird. Betreut wurde dieser Test von der Auckland Business School. Die Mitarbeiterzufriedenheit verbesserte sich von 54 auf 78 Prozent und die Produktivität ist nicht zurückgegangen, so die Arbeitssoziologin, die das Projekt begleitete. Die Neuseeländische Regierung prüft nun eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes.

 

Aber...
Obwohl die bisherigen Versuche sehr vielversprechend sind, hat das Konzept auch Schwachstellen. Grundsätzlich ist es nicht in jeder Branche umsetzbar. Produzierende Betriebe und viele Dienstleister wären davon ausgenommen. Für den Mitarbeiter steigt der Druck, das Arbeitspensum in kürzerer Zeit bei gleicher Qualität zu erfüllen, und das kann für einige auch Stress bedeuten. Zudem trägt der Kaffee mit der Kollegin oder kreativer Zeitvertreib auch zur gefühlten Qualität am Arbeitsplatz bei. Viele dieser Aktivitäten, die bisher in die Arbeitszeit integriert waren, werden dann in der Freizeit erledigt. Es entsteht also teilweise nur der Eindruck, weniger zu arbeiten.

 

Für den Arbeitgeber gibt es außerdem ein ökonomisches Risiko. Wie ein Versuch der Pflegebranche in Schweden gezeigt hat, führte die Umstrukturierung von acht auf sechs Stunden nicht zu einer Verbesserung der Qualität, und um die fehlenden Stunden aufzufangen mussten zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden.

 

Warum ist es trotzdem ein Gedankenspiel Wert?
Für die Mitarbeiter sind die Vorteile klar. Mehr Zeit für Familie und Freizeit bei gleichem Gehalt. Aber auch für den Arbeitgeber hat das Modell Vorzüge. Nach der Idee aus dem Buch "The five hour Workday" von Stephan Aarstol führte eine Werbeagentur aus Bielefeld den Fünfstundentag ein. Anfangs nur als Testphase aber auch hier führte der Erfolg dazu, dass das Konzept beibehalten wurde. Durch den besseren Stressausgleich gab es nachweislich weniger Krankschreibungen und Flüchtigkeitsfehler, bei gleichbleibender Produktivität. Und nebenbei erhielt das Unternehmen über 200 Initiativbewerbungen von qualifizierten Programmierern, Entwicklern und Managern. In Zeiten von Fachkräftemangel kann das also ein großer Marktvorteil sein. Zukünftig werden flexible Arbeitszeiten wohl zur Norm und bis dahin lohnt sich der Blick auf die testenden Unternehmen.

"Weniger arbeiten, aber genauso viel verdienen und leisten. Geht das? Ein neuseeländisches Unternehmen hat es ausprobiert - Zeit online vom 20. Juli 2018

Mehr über das Arbeitszeit-Projekt der Bielefelder Agentur Rheingans Digital Enabler

Mehr Infos über die 30-Stunden Woche auf dem Studenten&Karriere-Portal bigkarriere.de

 

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