Die Elite der deutschen Köche und Winzer nimmt am Festival teil, vorwiegend Zwei- oder Drei-Sterne-Köche beziehungsweise Winzer, die dem VDP angehören, dem Verband Deutscher Prädikatsweingüter. Dazu kommen noch ein paar berühmte Köche und Winzer aus anderen Ländern und Erdteilen. Das Festival dauert etwa drei Wochen, in der Regel von Ende Februar bis Mitte März. Schauplatz ist Hattenheim - so stellt man sich gastronomische Rheinromantik vor: ein historistisches Hotel, nicht weit vom Rheinufer entfernt, dahinter ein beschaulicher kleine Ort mit Markplatz und verwinkelten Gassen, immer wieder ein Weingut zwischen den übrigen Häusern. Nach Norden hin folgen wogende Weingärten, die zum Taunus hin ansteigen – eine bacchantische Stimmung.
Im Rheinsaal des "Kronenschlösschen" in Hattenheim sitzt der Gast dann mitten im Rhein. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls ringsum die Wandmalereien, wo nichts als Wasser fließt, hinterfangen von Hügelreihen und weitem Himmel. An der Decke erzeugen wellenförmige, weiße Tücher eine Aura des Luftigen und Zarten, ganz so, als sei man an einem utopischen Ort. Tatsächlich liegt das "Kronenschlösschens" nur ein einige hundert Meter vom Ufer entfernt.
Das malerische Gebäude mit Staffelgiebeln und Türmchen wurde Mitte des neuzehnten Jahrhunderts von einem Frankfurter Galeristen als Wohn- und Ausstellungshaus für seine Künstler erreichtet. Seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde es dann sporadisch als Hotel genutzt, bis es schließlich im Jahr 1990 von Hans B. Ullrich aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde. Der Frankfurter Anwalt ließ das weitläufige Anwesen mit denkmalpflegerischer Akkuratesse restaurieren und verwandelte es in ein komfortables, zeitgemäßes Hotel mit Gourmetrestaurant. Mit ihm sprach Erwin Seitz.
Herr Ullrich, das "Rheingau Gourmet & Wein Festival" gibt es nun schon seit über zwanzig Jahren. Wie kam es eigentlich seinerzeit zur Gründung dieser Veranstaltung?
Mitte der Neunziger war das Phänomen des Gourmet Festivals kaum bekannt, weder in Deutschland noch anderswo. Doch Freunde machten mich auf ein solches in Kalifornien aufmerksam. Ich wurde neugierig und hatte das Gefühl, dass das Thema in der Luft lag. Ich nahm Kontakt mit dem Leiter des dortigen Gourmet Festivals auf: mit David Fink vom "Highlands Inn" in Carmel-by-the-Sea, südlich von San Francisco. Er versprach, uns beim Aufbau eines eigenen Festivals zu helfen und auch bei unserer ersten Veranstaltung teilzunehmen. Er wünschte sich nur, dass wir sie unter das Motto "Kalifornien" stellten sollten. Ich gründet dann mit meinen Freunden Bernhard Breuer, dem Besitzer des Weinguts Georg Breuer in Rüdesheim, und mit Michael Herrmann, der schon Intendant des "Rheingau Musik Festival" war, eine Gesellschaft für das "Rheingau Gourmet & Wein Festival", das zunächst im "Hotel Krone" in Assmannshausen stattfand, das mir damals gehörte.
Haben Sie einfach das amerikanische Modell übernommen oder haben Sie gleich eigene Strukturen geschaffen?
Wir haben das Festival gleich größer aufgezogen. Während die kalifornische Variante nur an zwei Wochenenden stattfand, dauerte unser Festival gleich von Anfang vierzehn Tage, und jeder Tag bot drei bis vier Veranstaltungen: morgens Kochvorführungen, mittags Lunch, nachmittags Weinproben und abends Dinner.
Hatten Sie keine Bedenken, dass das nicht klappen könnte?
Nicht mal ansatzweise. Ich hatte ein gutes Gefühl, dass das so funktionieren könnte. Schon in den Jahren zuvor veranstalteten wir in der "Krone" immer wieder Weinproben, Kochvorführungen und Verkostungen, etwa von Essig und Öl oder Austern und Hummer. Das Interesse an Wein und Kulinarik nahm damals ständig zu. Essen und Trinken wurden zu Lifestyle-Themen. Unsere Gäste wollten kundiger werden und mitreden können. Wir boten diese Proben sogar unter dem Motto "Lifestyle" an. Das floss dann unmittelbar ins Gourmet Festival ein.
Sie sind ja ein Quereinsteiger in die Gastronomie und Hotellerie. Hat das etwas mit dem Erfolg Ihres Gourmet Festivals zu tun?
Mit Sicherheit. Ich bin ja zufällig zur Sparte der Gastronomie und Hotellerie gekommen, weil die Familie meiner ersten Frau Anteile an der "Krone" besaß. Ich kaufte dann das Hotel 1988 und sah es vorläufig als reines Investment an, mit dem ich mich nicht weiter beschäftigen müsste. An sich war und bin ich gelernter Jurist und selbständiger Anwalt in Frankfurt am Main. Doch langsam fing ich Feuer. Ich merkte, ich muss mich selbst um das Hotel mehr kümmern, wenn sich die Investitionen lohnen sollen, und die Gastronomie machte mir bald auch großen Spaß. Sie erweiterte meinen Gesichtskreis. Ich trank jetzt nicht länger nur französische Weine, sondern auch deutschen Riesling, von dem ich vorher keine Ahnung hatte, der aber im Rheingau ein Aushängeschild ist. Diese naive, beherzte Freude an Wein und Kulinarik inspirierte auch das Gourmet Festival.
(Bilder oben: Das "Kronenschlösschen" in Hattenheim und einer der Speisesäle. Unten Shrimpsbowle: beim Festival im März 2019 war der japanische Einfluss auf die internationale Gourmetküche unverkennbar. Das Ergebnis ist eine moderne, pflanzlich geprägte Küche, die auf Leichtigkeit und Bekömmlichkeit achtet. Die Kunst des Fermentierens wird für herzhafte Umami-Aromen genutzt, die man bislang hauptsächlich von Fleischspeisen gewohnt ist.)
Was gehört zum Erfolgsgeheimnis dieses Festivals?
Zweifellos die Idee, dass Niveau von Essen und Trinken so hoch wie möglich zu halten und Außergewöhnliches, Einmaliges zu bieten. Es versammeln sich Jahr für Jahr bei uns die besten Köche und Winzer der Welt. Etwa ein Drittel der Küchenmeister, die für die "50 besten Restaurants der Welt" verantwortlich sind, haben im Laufe der Jahre schon bei uns gekocht. Wir bieten Arrangements mit zwei oder drei Übernachtungen an, die es den Gästen ermöglichen, an mehreren Veranstaltungen teilzunehmen und höchst unterschiedliche Erfahrungen auf höchstem Level zu machen. Hinzu kommt eine besondere Atmosphäre. Der Gast sitzt nicht, wie sonst im Restaurant, an einem kleinen Tisch, sondern an der großen Tafel und lernt fremde Leute kennen. Die Stimmung ist heiter und aufgeschlossen; Moderatoren, Köche und Winzer reden mit den Gästen.
Sie selbst scheinen bei jeder Veranstaltung als Gastgeber dabei zu sein und die Gäste zu begrüßen.
Ja, ich nehme täglich an fast jedem Lunch und Dinner teil, erfreue mich an den Speisen und Weinen. Ich möchte im Bilde sein, was vor sich geht. Vor etwa zehn Jahren fiel mir auf, dass eine Gruppe von Investmentbanker hier ihre eigene Party feierte und alle anderen Gäste durch ihren Lärm störte. Ich beschloss, keine Firmengruppen mehr für das Festival anzunehmen. Unser Gast soll der individuelle Gast sein, der die Geselligkeit und Gourmandise liebt.
Wäre das Festival ohne das nahe Frankfurt am Main möglich gewesen?
Nein! Festivals kann man nicht im einsamen Wald ausrichten. Sie brauchen eine Wirtschaftsmacht im Hintergrund, wie das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt am Main, Mainz und Wiesbaden. Sie brauchen Gäste, die gern gut leben und bereit sind, für Essen und Trinken Geld auszugeben.
Sie hatten zwischenzeitlich das "Hotel Krone" in Assmannshausen verkauft und das Festival in das "Hotel Kronenschlösschen" in Hattenheim verlegt, das ihnen schon seit längerem gehört. Spielt es für den Erfolg des Festivals eine Rolle, dass Hattenheim mitten in der Weinregion des Rheingaus liegt?
Das ist ein großer Vorteil. Wein und Speisen gehören zusammen und heben die Laune.
Hans B. Ullrich gründete im Jahr 1997 das Festival, das bisher dreiundzwanzig Mal ausgerichtet wurde. www.rheingau-gourmet-festival.dewww.kronenschloesschen.de
Erwin Seitz, Jahrgang 1958, lebt als Autor, Journalist und Gastronomiekritiker in Berlin. Er hat beim Rheingau-Gourmet-Festival bisher mehrmals Gala-Dinners moderiert. Im vergangenen Jahr erschien von ihm im Insel-Verlag "Naturnahes Kochen", im Jahr 2011 "Die Verfeinerung der Deutschen. Eine andere Kulturgeschichte" über die Lebensart nördlich der Alpen. www.erwinseitz.de