Blick hinter die Kulissen

Simone Kaempf Fotos Eva Jünger

Anton Flechtner zum Stand der Technik

Was sind eigentlich Kantenanlage, Bearbeitungszentrum, Schrankpresse? Diese neuen Fertigungs-Maschinen gehen derzeit in Betrieb. Geschäftsführer Anton Flechtner erklärt den Stand der Technik und was es mit der Nullfuge auf sich hat.

 

Der Begriff Nullfuge ist seit einiger Zeit in aller Munde. Was muss man sich darunter vorstellen?

Sie sitzen bestimmt gerade am Schreibtisch, während Sie telefonieren. Vermutlich einem mit Kunststoffkante. Wenn Sie runterschauen, sehen Sie an der Tischplatte oben und unten den halbrunden Radius und zur Tischfläche einen feinen dunklen Strich. Um diesen geht es. Dieser Strich soll möglichst klein und unsichtbar sein. 

 

An der Stelle sieht man bei mir Abnutzungsspuren... 

Moderne Anlagen versuchen den Absatz zwischen Tischfläche und Kante möglichst klein zu halten. Man stößt weniger an, es bleibt nichts hängen und die Kante verdreckt auch nicht, wenn man den Tisch länger gebraucht. Man hat das Gefühl, dass die Oberfläche der Tischplatte übergeht in die Kante. Wie aus einem Guss. Wir haben relativ große Investitionen in die neue Technik gemacht. Die erste Maschine war im Juni letzten Jahres ein Bearbeitungszentrum. Und dieses Bearbeitungszentrum ist dafür da, dass man runde Tischplatten und alles, was eine runde Form hat, mit dieser Nullfugen-Kante versieht. Das ist das Besondere und Neue für uns. Geklebt wird nicht mehr mit Schmelzkleber wie früher, sondern mit einem Lasersystem.

 

Kommt wirklich ein Laser zum Einsatz? Warum ist die neue Technik soviel präziser, besser, sauberer?
Man erzielt tatsächlich viel bessere Ergebnisse. An der Kanten-Innenseite ist eine Schicht aufgetragen. Diese Schicht ist eingefärbt, genauso wie die Kante auch. Der Laserstrahl erhitzt die aufgetragene Schicht, Aktivierungsschicht heißt sie, sie wird flüssig angepresst, erkaltet wieder, wird fest und ist dann aus dem gleichen Material wie die Kante. Ein Schmelzkleber dagegen bleibt immer noch ein paar Tage lang aktiv. Das kennt man auch von Uhu oder Patex, das hält zwar erstmal, muss aber komplett aushärten. Das ist bei der Lasertechnik anders, wenn die Aktivierungsschicht auskühlt, erreicht man sofort Festigkeit. Bei modernen Anlagen wird zudem die Kante präziser auf die Höhe der Tischfläche abgefräst – wo früher die Kante immer ein Stück höher als die Plattenstärke war und häufig noch manuell nachbearbeitet werden musste, ist heute kein Absatz mehr spürbar. 

 

Sind mittlerweile alle Maschinen in Betrieb genommen? 
Noch nicht, aber im April ist der Aufbau abgeschlossen. Investiert haben wir in das Bearbeitungszentrum, in eine Presse, genauer eine Schrank- und Containerpresse, die ebenfalls vergangenen Juni aufgestellt wurde. Und dann gibt es eine dritte Investition, die derzeit aufgebaut wird: eine Kantenanlage. Die Maschine arbeitet auch mit Lasertechnik, ist aber eine Durchlaufanlage, das heißt, man steckt vorne ein Brett rein und dann werden automatisiert alle vier Seiten bekantet. Alle Modelle, die wir produzieren, laufen dann ab dem Frühjahr über die gleiche Technik. Das Lasersystem gibt es erst seit ein paar Jahren, wird immer weiterentwickelt und in der Regel eingesetzt, wenn man Anlagen erneuert. Es gibt nichts, was moderner ist. Das ist der höchste Stand der Technik. 

 

Welche Bedeutung hat die neue Presse?

Diese Presse ist eigentlich eine universell einsetzbare Schrankpresse, wir benutzen sie insbesondere für Stauraummöbel, die am Arbeitsplatz stehen. Quasi arbeitsplatznahen Stauraum, bei dem man meist erst einmal an Bürocontainer denkt. Was wir aber deutlich merken, dass die Bürocontainer immer weniger werden. Wir verkaufen stattdessen andere Arten von Stauraum am Arbeitsplatz, zum Beispiel Apothekerschränke oder Caddys, die man rollen kann. Und diese werden mittlerweile alle auf der gleichen Anlage gefahren, wo vorher nur Bürocontainer herzustellen waren. Alle anderen Modelle mussten wir quasi manuell pressen. 

Die Schrankpresse muss man sich so vorstellen: Es gibt einen Platz vor der Presse, dort werden die Teile zusammengesteckt, die Holzteile, Löcher und Nuten werden mit Leim versehen und zusammengesteckt, dann fährt dieser zusammengesteckte Kasten automatisch in die Presse. Arme greifen den Korpus und drücken ihn zusammen, die Arme gehen wieder auf und der Korpus wird auf dem Förderband zur nächsten Station gefahren. Auf der werden dann zum Beispiel Schubladen eingebaut oder Gegengewichte, damit der Container nicht kippt. Diese Förderbänder kann man jetzt zum Beispiel auch in der Höhe verstellen, damit derjenige, der daran arbeitet, ergonomisch günstiger steht. Das ist auch noch dazu gekommen. Wir können effizienter arbeiten und für die Mitarbeiter bedeutet es, ergonomischer zu arbeiten. 

 

Warum verschwinden denn die Bürocontainer aus den Büros?

Der Kunde braucht weniger und anderen Stauraum. Klassischerweise wurden unten im Bürocontainer die Hängemappen aufbewahrt, die immer weniger genutzt werden. Stempel verschwinden. Briefpapier verändert sich, oft druckt man das Logo heute schon mit aus und braucht nicht die Vorlagen in der Schublade. Der Stauraum blieb zunehmend ungenutzt. Und wenn nur andere Utensilien drin landen, hat man heute eigentlich bessere Lösungen. 

 

Wie verändern die neuen Maschinen die Fertigungshallen? Sieht es ab April ganz anders aus?
Wir mussten nicht komplett renovieren, haben auch keine neue Halle gebaut. Einzelne Elemente wurden erneuert, wenn wir schon mal dabei waren. Es gibt zum Beispiel einen Raum für den Meister, der jetzt in zweiter Ebene hängt, ein neues Büro auf Stelzen. Für die Kantenanlage kommt eine Zuführung dazu, eine Verbindung von der Säge, wo die Teile geschnitten werden, zur Kante. Jede Platte wird über ein Etikett eingelesen und über etwa 50 Meter automatisch weitergeleitet als Teil der Digitalisierung des Produktionsprozess. Was früher mit Handzetteln geregelt wurde, läuft jetzt über einen Datenstrom. 

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