Der Renaissance-Architekt Philibert de l'Orme dachte ausgiebig darüber nach, wie große Gebäude durch kleinteilige Elemente wirtschaftlich nutzbar sind, um 1550 war das. Ein nachgebautes Modell seiner Holzbogenkonstruktion steht nun derzeit im MAAT, dem Lissabonner Museum für Kunst, Architektur und Technik. Und es reiht sich dort wie selbstverständlich mit anderen Modellen, die Kurator Éric Lapierre in der Ausstellung "Economy of Means" zusammengetragen hat: Büro-, Ausstellungs- und Wohngebäude, Informationszentren oder Kaufhäuser wie das Galerie Lafayette in Pau, das derzeit grundlegend umgebaut wird. Deren Architekten, das Pariser Büro Bruther, bezeichnet ihren Entwurf als typisches Modell eines neuen economic space: "Not rational, but flexible, adaptable, fun, efficient and whose existence is based on technology."
(Fotos: Die Rekonstruktion des Holzbogen von Philibert de l'Orme, Modelle und Ausstellungsräume im MAAT Museum und das Museum in Abendstimmung c: Fabio Cunha, Paulo Coelho)
Was die Grundrisse der Renaissance und die hochflexible Architektur der Post-Industriegesellschaft vereint, wie ökonomische und ästhetische Überlegungen durch die Jahrhunderte en detail aufgegriffen, verändert und weiterentwickelt wurden, dafür braucht es schon etwas Komplizenschaft in dieser Ausstellung, die Dutzende von Modellen und noch viel mehr Grundrisse präsentiert. Sie baumeln an den Decken, prangen an den Wänden und auf dem Boden. Man läuft über sie hinweg, was zumindest einen schönen räumlichen Effekt hat in der Hauptschau der 5. Trienal de Arquitectura Lisboa. Hochabstrakt ist das Programm, auf den ersten Blick sehr wissenschaftlich, Kurator Éric Lapierre lehrt Geschichte, Architekturtheorie und Entwurf in Paris, aber aus vielen Puzzlestücken ergibt sich am Ende doch, warum diese Architektur-Schau mittlerweile einen hervorragenden Ruf genießt. Über die verschiedenen Triennale-Stationen weitet sich der Blick, wie Architektur schon immer Realität und Fiktion vereinte, beides in einem befruchtenden Spannungsverhältnis steht.
Seit 2016 hat die Triennale mit dem MAAT einen hochrepräsentativen Ausstellungsort gewonnen. Vor drei Jahren wurde der Museumsneubau von Amanda Levite Architects, der sich wie eine Muschel zum Tejo-Ufer öffnet, extra frühzeitig eröffnet. Mittlerweile ist auch eine weitere Fußgängerbrücke gebaut, drumherum haben sich Cafés angesiedelt. Die Kombination mit den anderen Ausstellungsorten etwa dem Palácio Sinel de Cordes am Campo Santa Klara ist klug gemacht. Denn spaziert man vom MAAT am Ufer entlang, durch die Baixa bis ins Alfama-Viertel bietet schon das einen Querschnitt durch die Architekturgeschichte der Stadt, die durch Zerstörung und Wiederaufbau nach dem Erdbeben von 1755 teils grundlegend umgebaut wurde und durch den derzeitigen Tourismus- und Bauboom neue Veränderung erlebt. Die Lissabonner pflegen bis heute aber auch selbst einen besonderen Umgang mit Alt und Neu. An historischen Orten versucht man in der Regel, beim Umbau Altes zu erhalten, historische Schichtungen sieht man oft auf kleinstem Raum.
Ein typisches Beispiel dafür ist auch der Palácio Sinel de Cordes aus dem 18. Jahrhundert, einer der fünf Triennale-Ausstellungsorte, voller maroden Charme aus vergangenen Jahrhunderten. Und schönste Kulisse für eine Reproduktion des Schnur-Hängemodells, mit dessen Hilfe Antonio Gaudí die Statik der Kirche Colonia Güell plante. Die Reproduktion samt eines Boden- und eines Deckenspiegels ist Herzstück der Ausstellung. Die Simulation ist simpel, das Ergebnis erstaunlich, scheint man in eine Kirchenkuppel zu schauen, die sich im Spiegel wie ein dritter Raum öffnet.
(Fotos: Der Palácio Sinel des Cordes mit dem Schnurmodell von Antonio Gaudi, c: Fabio Cunha, sik)
Die Verschmelzung von Fiktion und Realität in neuen Architekturwelten wird in der Ausstellung "Inner Space" im MNAC, dem Museum für zeitgenössische Kunst, dann allerdings nochmal aufs Schönste getoppt. Die beiden italienischen Kuratoren Fosco Lucarelli und Mariabruna Farbrizi haben auch hier viel Material aus allen Epochen zusammengetragen. Man sieht hier nicht nur wie die ausschweifenden Phantasien über den Turmbau zu Babel die Renaissance-Maler inspirierte und auch kleinste Details eines solchen Gebäudes in Gemälden real machten. Sondern sieht auch die Comics von Manuele Fior, der seine Geschichten in gebauten und ungebauten Gebäude-Entwürfen von Louis Kahn oder Frank Lloyd Wright spielen lässt. Noémie Goudals Landschafts-Fotomontagen sind zu sehen, in denen sie Fragmenten antiker und moderner Architektur in neue Gebäude verwandelt.
(Fotos: Noémie Goudals Fotomontagen in der Ausstellung "Inner Space" im Rahmen der Trienal de Lisboa, VR-Projekt des Research Studio for Architectural Visualization 18-25, c: Fabio Cunha)
Und der Bogen spannt sich zu dem Virtual Reality Projekt "Aemula Naturae" des Research Studio for Architectural Visualization 18-25, das beflügelt von dieser Technik ganz neue unbekannte Landschaften erschafft, in denen Paläste aus dem Meer wachsen, man über künstlichen Wüsten schwebt oder auf Terrassen über Schneelandschaften schaut, in denen statt Bäume geometrische Skulpturen stehen. Menschenleer sind diese Architektur-Landschaften, das könnte apokalyptisch anmuten, wirkt aber friedlich, utopisch und staunend schön.
5. Architektur-Triennale Lissabon, verschiedene Ausstellungsorte, "Inner Space" läuft bis 5. Januar, "Economy of Means" bis 13. Januar 2020.
Infos: www.trienaldelisboa.com