Statement/Interview

Interview Simone Kaempf Fotos Elfriede Liebenow

Lust auf neue Tischplatten

Die Gestalter Anke Nickol und Gerhard Bernhold setzen Farben und Muster gezielt bei der Gestaltung von Innenräumen oder Außenfassaden ein. Als sie jüngst ihr eigenes Designbüro planit4 in Hamburg-Volksdorf renovierten, entwarfen sie erstmals auch Dekore für ihre VARIO Schreibtische und ihren Konferenztisch. Gemeinsam mit VARIO sind zwei Prototypen für den Sitz-Steh-Tisch CHANGE entstanden.

Gemusterte Tischplatten sind selten in Büros zu sehen. Eigentlich schade, fanden die beiden Gestalter, die über langjährige Erfahrung mit Dekoren verfügen. Im vergangenen Jahr begannen sie mit ihren eigenen VARIO Schreib- und Konferenztischen zu experimentieren, die Gerhard Bernhold bis ins Detail kennt – denn zusammen mit Uwe Sommerlade hat er den Sitz-Steh-Tisch CHANGE für VARIO entworfen. Bei der neuen Beschäftigung sind zwei Modelle entstanden: ein "florales, lauteres Muster", wie Nickol es beschreibt für Besprechungstische. Und für Schreibtische ein viel zurückgenommener Entwurf: ein erst auf den zweiten Blick erkennbares feines Muster, nur aus Punkten bestehend, das durch Verlauf und Anordnung eine spezielle Flächigkeit erzeugt. Diese Variante gibt es in mehreren Farbstellungen. Mehr darüber von Anke Nickol.

 

Dekore können auf einer Oberfläche ähnliche Funktionen übernehmen wie Bezugsstoffe bei Möbeln. Ihr arbeitet auch bei Fassaden oder Innenräumen viel mit farbigen Mustern. Wie aber denkt man das für einen Tisch?
Anke Nickol: Ein Tisch ist natürlich immer ein Tisch, aber seine Farbe und Musterung können Funktionen im Raum übernehmen. Wenn man Räume gestaltet, spielt jede Farbe eine Rolle. Auch weiß oder schwarz, die weniger neutral sind als immer behauptet wird. Scheinbar zurückgenommene Tischplatten beeinflussen ebenfalls den Raum. Konferenztische sind zudem sehr groß. Wenn man so einen Tisch einsetzt, muss man ihn zur Umgebung in Beziehung setzen. Wände kann man umstreichen, Fußböden lassen sich weniger schnell verändern, und die Farbe der Tischplatte kann einen Raum größer oder kleiner machen, passt sich ein oder bildet einen Kontrast und sticht heraus. Mit einem Farbverlauf passiert sehr sehr viel im Raum.

 

Solch einen Farbverlauf habt Ihr für den Schreibtisch gewählt. Wie bewährt sich der Tisch?
Anke Nickol: Dieses Dekor ist relativ leise, das nur nochmal zur Erklärung. Man nimmt es erstmal gar nicht richtig wahr und denkt, das sei eine mehr oder weniger einfarbige Tischplatte. Wenn man sich an den Tisch setzt, erkennt man Struktur. Wenn man noch länger draufschaut, realisiert man, dass Punkte ineinander übergehen. All das kann man entdecken, wenn man am Tisch sitzt. Das Feedback ist super. Das Muster hat genau die richtige Mischung: es passiert etwas, aber inspirierend und nicht störend. Das zweite Dekor, das ihr entworfen habt, ist um einiges knalliger, bunter und floraler... Das habe ich absichtlich etwas lauter gemacht, mit viel Farbe, mit viel Muster. Auch um auszuloten, wie weit man gehen kann. Das Blumendekor ist für eine Konferenz-Situation gedacht, rund um den Tisch angeordnet, so dass man von verschiedenen Seiten verschiedene Blickwinkel hat. Auf dem dunklen Fond entsteht die Struktur aus vielen Fäden in verschiedenen Nuancen. Das nimmt man als Ganzes wahr, wenn man aber dransitzt oder steht, sieht man im Kleinen nochmal etwas anderes und dadurch wird es lebendig. Wir haben es da aber schon auf die Spitze getrieben. Für einen Schreibtisch würde ich ein Dekor so nicht entwerfen.


Wie geht es weiter mit den beiden Prototypen?
Im Moment sind das Einzelstücke. VARIO plant keine Kollektion, die Platten werden im Moment auch nicht ins Standardprogramm aufgenommen. Wir prüfen jetzt erstmal, wie sich die Oberfläche hält und im Dauergebrauch bewährt.

Innovative Herstellungstechniken ermöglichen heute neue Texturen und Oberflächen. Welche Oberflächen haben die beiden Prototypen?
Die Platten sind bedruckt und wurden im zweiten Schritt lackiert, VARIO hat alles im Werk Liederbach bearbeitet. Die Oberfläche ist glatt, aber nicht hochglänzend. Generell ist bei Texturen viel möglich geworden. Oberflächen korrespondieren ganz anders mit Mustern. Ihre Struktur ergibt Haptik, fühlt sich zum Beispiel gerillt an oder besonders glatt. Und die neuen Techniken ermöglichen kleinere Auflagen, das ist schon mal grundsätzlich wichtig für individuelle Lösungen.

 

Der Trend ging zuletzt zu matten oder hochglänzenden Tisch-Oberflächen. Andererseits verändert sich die Arbeitswelt derzeit, Büromöbel verändern sich. Ist das jetzt der richtige Moment für mehr Dekor, dafür,Tischplatten neu zu denken?
Die Büros werden wohnlicher was Materialien, Farben oder das Licht betrifft. Biophilic Design ist ein großes Thema und sagt, dass mehr Natur im Büro die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit stimuliert. Eine Zeit lang gab es sehr grafische laute Muster, die man sich nach einer Weile sattgesehen hat. Muster, die man in der Natur findet, sind subtiler. sie lassen eine Struktur erkennen, die aber differiert. Man kann sie für sich entdecken, das ist bei dem Punktemuster der Fall, das wir für den Schreibtisch entworfen haben. Das kommt in der Natur oft vor, deswegen wird es auch viel imitiert und birgt eine große Qualität.

  

Die VARIO-Innenarchitektin Marianne Eck sagte mal, sie hat bei der Büro-Planung so manche Farbe kommen und gehen sehen, weiß blieb. Warum setzt sich Farbigkeit nicht durch?
Farbe ist total unterschätzt. Dabei haben wir so einen feinen Sinn für Farbe, wir können 11 Millionen Nuancen sehen, wir erkennen den kleinsten Unterschied und nehmen das sehr emotional wahr. Töne kann sich der Mensch merken, bei Farbe ist das viel schwieriger, denn sie ist immer mit persönlichen Erinnerungen verknüpft und wird häufig ganz subjektiv in andere Zusammenhänge gebracht. Weiß und Grau werden als neutral wahrgenommen und dadurch eigentlich nie kritisiert. Damit wird das Risiko minimiert. Ich glaube, das spielt eine wichtige Rolle.

 

ANKE NICKOL, Jahrgang 1963, Diplom-Designerin. Mit Gerhard Bernhold gründete sie 2001 das Planungsbüro planit4 für Architektur, Innenarchitektur und Produktdesign. Beide sind dem Steh-Sitz-Tisch CHANGE verbunden - Bernhold entwarf den Tisch zusammen mit Designer Uwe Sommerlade. planit4 realisiert Projekte für kleine und große Unternehmen, für die Sozialwirtschaft und private Bauherren, der Mix ist ihnen wichtig. Derzeit realisieren sie für Beiersdorf den Umbau des Auditoriums im Hauptsitz in Hamburg-Eimsbüttel.

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