Blick hinter die Kulissen

Fotos Stefan Marquardt

Insel und Oase

Nida Colak ist Preisträgerin unseres diesjährigen Design Wettbewerbs. Ihr Entwurf FOOD ISLAND, ein Ort des Zusammenkommens im Büro, gewann den ersten von insgesamt fünf Preisen. "Food Island ist ein gelungenes Statement und ein schöner Ort des Zusammenkommens für persönliche Kommunikation. Die ganz normale Büro-Teeküche versteckt sich in einer Nische, Food Island hingegen tritt hervor und inszeniert eine gesunde Oase. Es zählt die Geste, so laden die geschwungene Form und das Grün zum Verweilen ein", heißt es in der Jury-Begründung.

Nida Colak, 1997 in Kempten im Allgäu geboren, hat Innenarchitektur und Kommunikation im Raum an der Hochschule in Mainz studiert und Anfang 2023 mit dem Master abgeschlossen. Mittlerweile arbeitet sie als Innenarchitektin in dem Büro Stuhlsatz Maison Interior in Frankfurt/Main. Wie man Stimmungen aus alltäglichen Situationen ins Büro überträgt, hat sie für diesen Entwirf beschäftigt. Mehr über ihre Idee.

 

Das Wettbewerbsthema war weit gefasst. Es konnte um einen Coffee to go Becher im Büro gehen, genauso wie um eine Kantine, um Hospitality, um Empfang im weitesten Sinne. Wie haben Sie sich dem Thema genähert?
Nida Colak: Für mich ist es immer wichtig, eine Geschichte zu einem Thema zu entwickeln, ein Bild oder eine Atmosphäre, die man anhand von einem Möbel oder Raum nachempfinden kann. In diesem Fall ging es ja um einen Entwurf, und Ideen hatte ich viele, vom Kühlschrank mit ganz vielen Stickern oder einer Einkaufsliste, bis hin zu der Frage, wo will man eigentlich essen und wie fühlt sich das im Büro an? Und wie kann man Essen im Büro mit einer schönen Geschichte verbinden. Darüber bin ich auf die Insel gekommen, an der man frisches Obst bekommt oder aus Kokosnüssen trinkt, etwas, was Urlaubsgefühle weckt. Darüber entstand die Idee zu einem Tisch, an dem man gemeinsam essen kann. Wie aber lässt sich abstrakt ein Inselcharakter entwickeln? So kam der Baum dazu. Und ich wollte keinen kantigen, rechteckigen Tisch, sondern einen mit aufgelösten Formen, der nicht nur an eine Insel erinnert, sondern auch seine Funktion übernimmt.

Die runde Form hat den Vorteil, dass der Tisch von allen Seiten zugänglich und bespielbar ist und im Raum tatsächlich wie eine Insel wirkt. Das ist tricky. Wie stellen Sie sich die Nutzung vor?
Es soll kein Platz sein, an dem man länger sitzt und arbeitet, sondern eher kurz zusammenkommt, sich austauscht oder mit dem Laptop ein kleines Meeting abhält. Kein fester Arbeitsplatz oder Shared Desk, so dass alles ein bisschen dynamisch bleibt. Der Tisch soll eher wie eine Bar sein, an der man auf Hockern zusammensitzt. Die Tischplatte kann man anheben und liegt auf einem Unterteil. Das Unterteil hat auf der einen Seite eine Aushöhlung für die Pflanze, in der Mitte sitzt in der Konstruktion eine Schale, die einfach zu reinigen ist. Kaffee- und Essenpausen gehören fest zum Arbeitsalltag dazu. Büroumgebungen verändern sich, aber Essen, Snacking oder wie immer man es nennen will, bleibt. Wie lässt sich aus dieser Situation Mehrwert gewinnen – ist das auch für Sie der entscheidende Leitgedanke? Ich selber habe bei meiner ersten Berufserfahrung gemerkt, wie schön und wichtig es ist, wenn man sich kurz einmal in der Teeküche trifft, wenn man zusammen steht und über seine Projekte quatscht. Ich verstehe die FOOD ISLAND als zusätzliche Möglichkeit und als Ergänzung zur Teeküche, um etwas Gesundes zusammen zu essen. In kreativen Berufen ist es immer gut, wenn man kurz aufstehen kann. Dann kommen auf einmal ganz andere Ideen. Oder man hat einen Sitzplatz, wo man sich ein wenig erholen kann. Das schafft neuen kreativen Spielraum.

Für welche Büroarten oder Arbeitsumgebungen ist der Tisch gedacht?
Für große Büroräume oder offene Arbeitsumgebungen, wo der Tisch einfach erreichbar ist. Aber ich kann mir den Tisch auch gut in einem Pausenraum oder der Kantine vorstellen, wobei die Wirkung dann vielleicht nicht so groß wäre als in einer Büro-Landschaft, in der der Tisch als Treffpunkt für alle dient.

Sie haben im vergangenen Jahr am VARIO Wettbewerb teilgenommen und mit dem Entwurf "Treffpunkt Markt" den Sonderpreis gewonnen. Beide Entwürfe verbindet, dass Sie Orte entwickelt haben, mit einer anderen Stimmung, die das Zusammensein fördern.
Als ich das Wettbewerbsthema für dieses Jahr sah, dachte ich sofort, wow, der Entwurf aus dem letzten Jahr würde jetzt auch passen. Es ging ja um den Sehnsuchtsort Büro und die Frage, was vermisst man dort eigentlich. Ich mag es zum Beispiel sehr gerne, auf dem Wochenmarkt anzuhalten und kurz mit den Marktleuten ins Gespräch zu kommen. Solch ein warmes Gefühl ins Büro zu übertragen, ist etwas Grundsätzliches, was mich beschäftigt.

Ist das ein Prinzip, das Sie auch bei Ihren Entwürfen im Studium für sich entdeckt und entwickelt haben? Also mit bestimmten Verhaltensweisen, Atmosphären oder Stimmungen verbundene Situationen zum Beispiel in die Arbeitswelt zu übertragen?
Im Studium hatten wir immer sehr freie Themen und kaum etwas mit Büro zu tun. Grundsätzlich versuche ich, in mehreren Stufen zu arbeiten, erst einmal sehr weit gefasst Ideen zu sammeln, aufzuschreiben und dann eine Geschichte zu entwickeln. Im nächsten Schritt steht die Nutzung im Vordergrund. Und wie kann ich etwas entwickeln, dass abstrakt bleibt, aber dennoch wiedererkennbare Situationen entstehen.
 


Für die FOOD ISLAND schlagen Sie ausdrücklich naturbelassene Eiche als Material für den Tisch vor. Wie wichtig sind Materialien grundsätzlich, aber auch speziell in diesen Fall?
Ich finde Naturmaterialien ganz toll, deshalb auch die Natur-Eiche. Eine Insel ist etwas, was aus der Natur kommt und wo wir uns alle wohlfühlen. Ich weiß, dass es auch um Kosten geht und gerade bei Serien-Produkten andere Materialien im Vordergrund stehen. Aber bestimmte Materialien strahlen Ruhe aus. Ich finde es auch gut, mit Farben zu arbeiten. Aber bei Produkten, die größere Gruppen ansprechen, halte ich die Verwendung natürlicher Produkte immer erwägenswert, weil sich damit jeder identifizieren kann.

Wie weit sind Sie in Ihrem Masterstudiengang Kommunikation im Raum an der Hochschule in Mainz?
Das Studium ist abgeschlossen. Ich habe Anfang des Jahres meine Masterarbeit abgeben und mich damit beschäftigt, wie urbane Räume nach dem Zweiten Weltkrieg für den Autoverkehr konzipiert wurden und wie man sie jetzt als urbane Treffpunkte umgestalten und zurückzuerobern könnte. Konkret ging es um Platz rund um den Eisernen Steg in Frankfurt am Main. Ich habe das Areal neu bespielt, mit Cafés und Grünanlagen, mit Tischtennis, Skatebereich, Spielplatz für eine generationenübergreifende Nutzung. Das klingt jetzt sehr abgekürzt, aber das war Kern des Themas. Ich wollte zum Abschluss des Studiums etwas machen, womit ich mich vorher noch nicht beschäftigt hatte, und das ist für mich auch aufgegangen.

Wo sehen Sie ihren Schwerpunkt?
Aktuell bin ich in der Innenarchitektur und seit dem Abschluss in einem Büro beschäftigt. Unsere Projekte sind vor allem Umbauten. Das macht total viel Spaß. Ich würde aber auch gerne in der Möbelgestaltung weitermachen. Wenn ich sagen müsste, wovon ich für die Zukunft noch träume, dann wäre es, beide Bereiche zu verbinden. Also womöglich eigene Möbel zu entwerfen oder mit Firmen zusammenzuarbeiten, und in dem Zusammenhang Umbauten zu gestalten.


Mehr über FOOD ISLAND und die anderen PreisträgerInnen des diesjährigen Wettbewerbs auf der Website und im prall gefüllten Wettbewerbs-Booklet.

Im vergangenen hieß das Thema "Sehnsuchtsort Büro". Sinisha Hapke gewann den ersten Preis mit einer Sitzlandschaft.

Beim ersten Design Wettbewerb im Jahr 2018 gewann Miriam Reihl einen der Preise. Ihren Entwurf haben wir in weiterentwicklelter Form als M1 Rahmen ins Program aufgenommen. Das M1 Rahmenelement hat beim Wettbewerb "bdia ausgesucht! 2020" eine Auszeichnung erhalten und wurde mit dem Red Dot Winner 2021 ausgezeichnet! Mehr über ihre Idee des M1 Rahmen...


(Unten: Impressionen von der Preisverleihung, die am 28. September in Frankfurt/Main stattfand)

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