Referenz/Projekt

von Simone Kaempf Fotos Eva Jünger/Stefan Marquard

Schöner als früher

Der Architekt Peter Kulka vermittelt im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne wie kaum ein anderer. Wie beim Potsdamer Stadtschloss mit dem modernen Plenarsaal und den Abgeordnetenbüros. Ein Bau, bei dem er für seine Ideen kämpfen musste. Ein Porträt.  

 

Eckig, kantig, schlicht. Peter Kulkas Architektur lässt sich leicht als formstreng beschreiben. Doch vonwegen. Seine Bauten haben mit Bewegung im Raum zu tun, mit Oberflächen, vielfältigen Proportionen. Sie leben vom Bezug zum Ort und der Freude über Reduktion auf das Wesentliche. Darin steckt ein Reichtum, der sich oft erst auf den zweiten Blick erschließt. Man muss seine Bauten besuchen, sich darin aufhalten, um ihre Sinnlichkeit und hohe Qualität besser zu verstehen. Um zu begreifen, welche besondere Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart der in Dresden geborene Architekt schlägt.

 

 

Kulka bekennt sich zu klaren Formen. „Sie lassen den Menschen als das Wichtigste erscheinen, und sie sind präzise“, sagt der 79-Jährige. Zwei Eigenschaften, die in seiner Denk- und Arbeitsweise eine wichtige Rolle spielen und die er bereits beim Bau des Sächsischen Landtags in den 90er Jahren oder dem Umbau des Dresdener Stadtschlosses realisierte. Kulkas eigentliches Meisterstück ist jedoch das Potsdamer Stadtschloss mit seiner rekonstruierten Barockfassade. Als Konstrast entwarf er im Inneren einen radikal modernen Plenarsaal, der modernste Deutschlands. In den Seitenflügeln mit Platz für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter, 400 Büroplätze ausgestattet mit VARIO Schreibtischen STAGE und ICON, Roll-Containern VERSA und Sideboards M4.

 

Die nachgebaute Potsdamer Schloss-Fassade sorgte jahrelang für Schlagzeilen. Vor der Grundsteinlegung diskutierten Befürworter und Gegner erbittert, ob die Rekonstruktion rückwartsgewandt, geschichtsversessen oder gar geschichtsverfälschend sei. Die Debatte reichte weit über die Architektur- und Designszene hinaus, und Peter Kulka geriet zwischen die Fronten. Jede kleine Abweichung vom historischen Original wurde kritisch beäugt und nicht der Ausschreibung, sondern dem Architekten zugeschrieben. „Die Angst war gigantisch, dass das wiederaufgebaute Schloss nicht so schön wird, wie es einst war“, sagt Kulka heute. Der Streit setzte sich auch nach der Fertigstellung im Januar 2014 fort. Kulka hatte ein weißes Hoheitswappen aus lackiertem Stahl entworfen. Doch in der Landeshymne heißt es, dass ein roter Adler aufsteigt. Nach Protesten wurde das Wappen ersetzt. 

 

Kulka ist als Architekt Konflikte gewöhnt. Öffentliche Baustellen bereiten fast immer Schwierigkeiten. Historischer Bestand potenziert die Probleme. „Dagegen kann man wenig machen, aber man muss sich hüten gegen die Zeit zu bauen“, sagt Kulka. Mit Sentimentalität habe das nicht zu tun. „Das Alte ist da, es hat sich bewährt und hat etwas Vertrautes, das an unsere Geschichte gebunden ist.“ Wieviel reale Altsubstanz vorhanden ist, spielt kaum eine Rolle wie bei Potsdamer Schloss, das im April 1945 zerbombt wurde. Die Reste wurden 1960 nach dem Willen des SED-Regimes abgerissen. „Aber in den Köpfen der Bewohner war es noch da. Auch ein gesprengtes Schloss ist noch präsent. Das ist eine Kraft, an der man nicht vorbeikommt. Für mich als Architekt ist es ein Vorteil, wenn Substanz da ist. Und sei es, dass es sich alte Entwürfe und Ideen aus dem Barock handelt, die ich in die Gegenwart übertragen kann.“

 

So entstand in Potsdam hinter der rekonstruierten Fassade ein hochmoderner Landtags-Saal durchgängig in weiß-rot gehalten. Die Farben setzen sich im Seitenflügel in den Büros für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter fort. Viel roter Teppich, dazu die weißen VARIO Möbel der verschiedenen Linien. Kulkas Architektur ist maximal auf Distanz gehalten zum Repäsentationsprunk alter Zeit. Nach diesem Prinzip brachte er in den Seitenflügeln auch die Büros unter: für jeden Abgeordneten dieselbe Größe.

 

 

War Potsdam sein konfliktträchtigstes Projekt? „Auf jeden Fall das schwierigste.“ Das Kämpfen für seine Konzepte sei ihm zum zweiten Ich geworden. „Aber das hat natürlich auch Grenzen und kann kein Prinzip sein, sondern ein ständiges Eingehen aufs Gegenüber mit guten Argumenten, nicht mit elitären Aussagen.“ Gespräche müsse man rechtzeitig führen, solange noch Entscheidungen möglich sind, das sei das wichtigste Rezept. Bei kollidierenden Wünschen heißt es, den richtigen Zeitpunkt für Konsens erkennen.

 

Manchmal platzt aber auch ihm in der Öffentlichkeit der Kragen. In Potsdam war das der Fall, als zusätzliches Geld für die Kuppel im einst von Knobelsdorff errichteten Treppenhaus erst versprochen wurde, dann jedoch keine Rede mehr davon war. Mit einer minutenlangen Wutrede brandmarkte er bei einer festlich gedachten Zusammenkunft die nicht eingehaltenen Zusagen und sorgte bei den anwesenden Politikern für frostige Mienen.

 

Trotz seiner Kämpfernatur hat der Architekt noch nie ein Gerichtsverfahren geführt. Mit dem Älterwerden ist er toleranter geworden, sagt er über sich. Auch durch die Erfahrung, dass die Zeit für unerwartete Korrekturen sorgt, manchmal schneller als gedacht. So geschehen beim Potsdamer Landtag, der längst eine Erfolgsgeschichte ist, rekonstruierte Fassade hin oder her. Drei Jahre nach der Eröffnung ist das Gebäude aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Mehr als 200.000 Besucher wurden bisher verzeichnet. Niemand redet mehr darüber, dass der Schlosshof kleiner, der Saal größer ist als zu Zeiten Friedrich dem Großen, selbst der umstrittene weiße Adler hat im Foyer seinen Platz gefunden. Rund um den Bau – bis in die 90er Jahre eine Brache – sind Restaurants, Cafés und neues Leben eingezogen. Happy End nach vielen Kämpfen, wie man der Stadt und dem Gebäude ein neues Gesicht gibt, ganz aus der Gegenwart geboren.

 

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