Statement/Interview

Interview Simone Kaempf Fotos Women Techmakers-Mitgründerin Theresa Bihn im Einsatz

Wie gewinnt man mehr Frauen für Digital- und Tech-Berufe?

Frauen, die es in Technologie-Firmen in Leitungspositionen geschafft haben, setzen auf Netzwerke, um der Männer-Dominanz der Branche etwas entgegenzusetzen. Women Techmakers Frankfurt will Frauen stärker an Digital- und Tech-Berufe binden. Aber wie geht das, was heißt das genau? Mehr von Theresa Bihn, Projektleiterin für Digitalisierung, und Michael Beckmann, Berater und Coach, Mitgründer der Frankfurter Sektion von Women Techmakers.

Frau Bihn, wann gründen Frauen eigene Netzwerke und arbeiten diese dann anders als Männer?
Theresa Bihn: Netzwerke sind das A und O für ein erfolgreiches Leben, egal ob ich Karriere machen möchte, interessante Jobangebote suche oder mich neu verwirklichen will. Ein Netzwerk hilft diese Schritte zu gehen. Frauen gründen Netzwerke aus den gleichen Gründen, warum Männer diese gründen und pflegen. Vor allem im Technik-Bereich sind Frauen in vielen Teams noch Einzelkämpferinnen und sehnen sich deswegen nach einem Austausch oder suchen auch Rolemodels. Women Techmakers bietet hierzu eine Vielzahl an Möglichkeiten. Die Google Developer Group, das Schwester-Netzwerk der Women Techmakers, arbeitet genauso wie wir, nur dass der Frauenanteil bei deren Meetups und Veranstaltungen weit unter 50 Prozent liegt. Women Techmakers wurde genau deswegen ins Leben gerufen: um Frauen zu ermutigen sich auch zu beteiligen und zu informieren. Wir bieten hierfür eine geschützte Atmosphäre an, die dankend angenommen wird.


Was unterscheidet Women Techmakers von anderen Netzwerken?
Michael Beckmann:“Learning, Fun, Networking” - das ist unser Slogan. Es geht bei uns ums Lernen von brauchbaren Wissen. Bei uns wird wirklich nicht nur etwas getrunken, zusammengesessen und Spaß gehabt, sondern wir vermitteln Wissen. Egal ob wir eine Blockchain-Veranstaltung organisieren, wo uns jemand die Technologie erklärt und wir an den Laptops selbst auch programmieren, um das Ganze zum Laufen zu bringen. Über das Lernen steigen wir ins Netzwerken ein. Kommenden Samstag veranstalten wir im Rahmen des Girls' Day zusammen mit der Frankfurt International School in Oberursel ein erstes Event, um Schülerinnen den Zugang zur Technik zu ermöglichen. Auch das gehört dazu und funktioniert gut. Bei unseren Stammtischen geht es vorrangig um das Netzwerken und Spaß haben. Angesichts der Dominanz von Männern in IT-Räumen sind viele froh, dass sie sich mit Frauen austauschen können. Toll ist, dass unsere Mitglieder sehr divers sind: Frauen und Männer, im Alter zwischen 18 und Ende 50, mit spannenden Lebensläufen, Interessen und Vorhaben.


Theresa Bihn: Mir war von Anfang an wichtig, dass wir niemanden ausschließen und niemanden unter Druck setzen. Denn ich kann diese gut-gemeinten Ratschläge an Frauen, die uns zu besseren Männern machen wollen, nicht mehr hören. Ich möchte, dass wir Frauen einfach Frauen sein können und deswegen Karriere machen oder coole Software schreiben oder Influencer werden oder was uns auch immer in den Kopf kommt. Auch möchte ich gegen die weit verbreiteten negativen Klischees gegenüber Frauen in Tech-Berufen angehen. Deswegen freue ich mich sehr, dass das gesamte Organisationsteam die gleiche Diversität abbildet, wie unser Netzwerk selbst.

Foto oben: Theresa Bihn, Foto unten: Das Kernteam von Women Techmakers Frankfurt & Rhein-Main 

 


Ist es wirklich so, dass nur ein Bruchteil der IT-Start-ups von Frauen gegründet werden?
Theresa Bihn: Das ist leider so. Allerdings haben auch Beispiele aus der Gründer-Szene gezeigt, dass viele Frauen alleine keine guten Fundings bekommen, sodass ein weibliches Gründer-Duo einen Mann eingestellt hat, um überhaupt an Investoren zu kommen. Das ist leider noch eine traurige Wahrheit, die viele Frauen abschreckt. Risiko-Kapital wird zum größten Teil nur an Männer vergeben wird. Wie kann diese Kette aufgebrochen und der Anteil der Frauen erhöht werden?


Michael Beckmann: In der ganzen FinTech Branche sind fast nur Männer unterwegs. Frauen machen eher Retail-Business, wenn zum Beispiel neue Retail-Online-Plattformen geschaffen werden. Ich habe manchmal Gastvorlesungen an der Goethe-Universität und werde zu Veranstaltungen wie AI oder Robotics eingeladen, da sehe ich kaum Frauen. Wir versuchen, das zu öffnen und zu pushen. Wir haben in unserem Kernteam von Women Techmakers schon pushende Ladies, eine Kanadierin, eine Ukrainerin, eine gebürtige Moldawierin, zwei Deutsche. Das ist nicht von Pappe. Wenn wir tagen, geht wirklich etwas ab, da wird hart gearbeitet. An den Whiteboards fragen wir, was machen wir als nächstes. Das ist ein anderes Arbeiten, auch für mich als Mann, wo nicht lange geprahlt und geprotzt wird, sondern es zur Sache geht.

 

Alle Women Techmakers-Treffen sind auf Englisch, Ihr Kernteam ist international. Ist der Arbeitsmarkt für die Digital- und Tech-Branche mittlerweile hochgradig international?
Theresa Bihn: Die Tech-Branche war schon immer international. Programmiersprachen sind in Englisch beschrieben, Diskussionen im Internet sind auf Englisch. Die Globalisierung hat natürlich dazu geführt, dass wir viel mehr mit Indien oder den Philippinen zusammen arbeiten - allerdings ist das auch nichts Neues, sondern schon seit mehreren Jahren gängige Praxis. Was allerdings auffällt ist, dass viele Netzwerke in deutschen Großstädten englischsprachig sind. Das finde ich zum Beispiel sehr spannend und frage mich, ob es daran liegt, dass ausländische IT-Fachkräfte und Studierende diese Möglichkeit nutzen, um neue Leute kennen zu lernen und sich auszutauschen.

Michael Beckmann: Wenn Sie in der Branche Aufträge bekommen - und auch das ist ein Thema, weil wir regelmäßig Job-Boards machen – dann müssen Sie davon ausgehen, dass sie reisetauglich, -fähig und -willig sind. Und sich logischerweise über das Tool Slack zum Beispiel mit Kollegen in Indien, Kalifornien oder Osteuropa austauschen. Das zu beherrschen steht schon gar nicht mehr in Job-Beschreibungen, sondern wird stillschweigend vorausgesetzt.

 

Women Techmakers ist ein globales Netzwerk, das an Google hängt. Wie unterscheiden sich die Sektionen in Frankfurt, München, Hamburg, Berlin?
Theresa Bihn:
Wir OrganisatorInnen der Women Techmakers zusammen mit denen der Google Developer Groups fühlen uns als ein großes Ganzes und tauschen uns regelmäßig aus. Einmal im Jahr treffen wir uns zum Beispiel in München im Google Office, um uns auch direkt kennen zu lernen und voneinander zu lernen. Women Techmakers ist vor allem in Berlin und in Hamburg sehr groß. Die Organisatorin des Hamburger Chapters war zu Anfang unsere Patin und hat uns mit vielen Tipps und Tricks geholfen. Jede Stadt hat ihre eigenen Vorzüge und ihre eigenen Rahmenbedingungen, weswegen die Chapters untereinander nur schwer zu vergleichen sind.

Michael Beckmann:
Der Anspruch in Frankfurt ist es, FinTechs anzuziehen durch die Nähe zu den Banken. Dort ist das TechQuartier ein Co-Working-Space und eine Initiative, die vom hessischen Wirtschaftsminister persönlich gefördert wird. Wir sind dort regelmäßig zu Gast und Teil deren Community. Ich finde, das ist schon eine Stärke in Deutschland, dass man sich dezentral aufteilt und sich überall Kräfte entwickeln.  

THERESA BIHN, Jahrgang 1987, ist Projektleiterin für Digitalisierung und agile Transformation bei der KfW in Frankfurt. Sie programmiert seit sie 15 Jahre alt ist und ist Mitgründerin von Women Techmakers Frankfurt & Rhein-Main.
MICHAEL BECKMANN, Jahrgang 1965, ist Dozent, Coach und Berater für Unternehmer mit Sitz in Frankfurt. Er arbeitete 25 Jahre im Investment-Banking und ist Mitgründer von Women Techmakers Frankfurt & Rhein-Main.

Mehr Informationen und weitere Ansprechpartnerinnen zu Women Techmakers Frankfurt & Rhein-Main auf Facebook, Linkedin, Twitter. Knapp 1000 Mitglieder gehören zu dem lokalen Chapter des internationalen Google-Netzwerks Women Techmakers. Über 80 Prozent davon sind Frauen und arbeiten entweder in Tech-Berufen, studieren ein MINT-Fach oder orientieren sich durch soziale Netzwerke und die voranschreitende Digitalisierung in Richtung IT. Ein nicht unerheblicher Teil ist fremdsprachig. Einmal im Monat treffen sich alle Interessierten in Frankfurt zum Stammtisch und lockeren Austausch. Pro Quartal findet ein sogenanntes Meetup statt, bei dem zu einem Thema ausgewählte SpeakerInnen Vorträge oder Live-Coding Sessions halten. Männer sind willkommen und machen bei den Meetups etwa 30 Prozent aus, so die beiden Mitgründer.

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