Grundlagen/Wissen

Fotos Gensler, Screenshot

Lang lebe der Arbeitsplatz

Die COVID-19-Krise wird flexiblem Arbeiten, virtuellen Teams und modular gestaltbaren Arbeitsplätzen großen Vorschub leisten, darüber sind sich Gestalter einig. Erste Vorschläge und Brainstormings zirkulieren, etwa von der katalanischen Designerin Patricia Urquiola oder den großen Architekturbüros Gensler und Huntsman.

Der Bedarf an flexiblen, umbaubaren, temporär nutzbaren, maximal anpassungsfähigen Veranstaltungsorten und Einrichtungen aller Art wird steigen, heißt es von Gensler in dem Themenschwerpunkt "How Design responds to a changing world", in dem sich das Büro auf ganzer Breite Gedanken macht, wie die Pandemie die Gestaltung öffentlicher und stark frequentierter Räume verändert. Alles unter der Prämisse, dass der derzeitige soziale Rückzug und die Abstandsregeln das Bedürfnis nach echter menschlicher Interaktion eher befördert, wie es von Seiten der Architekten heißt. Modulare Gestaltung werde wieder wichtiger, aber etwa auch der "Touchless Workplace" als Gegenbewegung zum gemeinsam genutzten Touchscreen. "Buchungsbildschirme vor der Konferenzraum-Tür, Anmeldetabletts oder biometrische Fingerabdruckscans. All diese Annehmlichkeiten sehen plötzlich wie Gesundheitsrisiken aus", heißt es von Lee Billington, Experte für Digital Experience Design. Billington verweist auf Technologien, die noch aus den Achzigerjahren stammen wie automatische Seifenspender oder berührungslose Mülleimer. Bewegungsmelder, die Türklinken oder Schalter in Gang setzen, werden wieder interessanter oder auch Gesten-Kontrolle und Sprachsteuerung, um Berührungen zu ersetzen. Mit Siri, Alexa oder Cortana sind virtuelle Assistenten in den häuslichen Alltag eingezogen, die auch im Arbeitsleben eine wichtigere Rolle übernehmen. Diese erweiterte Technologie-Roadmap wird dann am Ende jeder eher von seinem eigenen Smartphone als vom Gemeinschafts-Screen bedienen.


"Designing in a virtual world" lautete der Titel von Patricia Urquiolas Webinar, das sie Mitte April aus der Quarantäne in Mailand hielt. Und zwar mit sovielen zugeschalteten Interessenten, dass der Server zusammenbrach und es einen zweiten Anlauf brauchte. Gemeinsames Arbeiten und Konferieren aus unterschiedlichen Orten ist der umtriebigen Gestalterin längst in Fleisch und Blut über gegangen. In dem Vortrag erzählte sie auch von einem Musik-Projekt eines isländischen Komponisten in einem Mailänder Palazzo vor vielen Jahren, das ihr zum frühen Vorbild wurde für Zusammenarbeiten über Distanz. Die Musiker spielten jeweils allein in einem Raum, waren nur mit Kopfhörern verbunden und führten gemeinsam ein Konzertstück auf. Technologie lässt eben doch Gemeinschaftsgefühl entstehen, und dass das ästhetische Ergebnis möglicherweise in Details abweiche, mache es gerade interessant, so ihr Credo.

 


"The workplace is dead. Long live the workplace!", es wird sich einiges ändern, resümiert auch Sascha Wagner, Präsident und CEO der Huntsman Architectural Group. Der Architekt, der ursprünglich aus Frankfurt stammt, schreibt im amerikanischen Contract Design Magazin: "Der jüngste Fokus aufs Mitarbeiter-Wellbeing ist jetzt hyperbeschleunigt. Trends wie Biophilie werden zweifellos Bestand haben. Aber einige Dinge werden sich völlig ändern. Künftige Räume werden mit geringerer Mitarbeiterdichte geplant. Wir werden wahrscheinlich auf weniger physische Nähe und Interaktion setzen." Aber das heißt eben nicht nur, dass die Stühle in den Konferenzräumen weiter auseinander stehen oder eine "Clean-Desk"-Politik in gemeinsam genutzten Umgebungen eingeführt. Arbeit wird sich weiter verändern, neue Work-from-Home-Modelle können jetzt ermöglicht werden, und alles in allen sieht Wagner eine Möglichkeit zur positiven Veränderung mit Kurs-Korrektur aus Fehlern der Vergangenheit.

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