Grundlagen/Wissen

Debatte übers Homeoffice II: neue Studien, neue Erkenntnisse

Privatleben eingeschränkt, aber weniger Homeoffice und mehr Präsenzarbeit als im Frühjahr. Mehr Homeoffice könnte die Infektionen halbieren, so eine Studie der Universität Mannheim. Mehr zur aktuellen Debatte.

Studie Universität Mannheim
"Muss die Wirtschaft mehr tun?", lautete die heiß diskutierte Frage dieser Woche, nachdem eine Studie der Universität Mannheim aus dem Dezember veröffentlicht wurde und erstmals die Homeoffice-Pflicht ins Spiel gebracht wurde. Am heutigen Freitag hat nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammen mit dem Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und DGB-Chef Reiner Hoffmann zur stärkeren Nutzung des Homeoffice aufgerufen. Die These, die der Leiter der Mannheimer Studie, Harald Fadinger, Professor für VWL und Business Economics, errechnet hat: Wäre die Homeoffice-Quote so hoch wie im Frühjahr, wäre auch die Zahl der Infektionen nur halb so hoch, die Inzidenz also maximal 75 statt wie im Moment 150. Hier gehts zur kompletten Studie: "My Home is My Castle – The Benefits of Workingfrom Home During a Pandemic Crisis".

 

Produktivität schwankt: Studie des Fraunhofer IAO
Das Fraunhofer IAO hat inmitten der Corona-Pandemie eine online-Befragung zum Homeoffice durchgeführt. Im Zeitraum Mai bis Juli 2020 wurden 2.100 Personen aus privaten Unternehmen und öffentlichen Organisationen befragt. 48 Prozent der Befragten gaben an, zu Hause ein separates Arbeitszimmer zu nutzen. 34 Prozent mussten sich jedoch in Küche, Wohn- oder Esszimmer einrichten. Knapp zehn Prozent arbeiteten im Schlafzimmer oder immer da, wo gerade Platz ist. Während die IT-Ausstattung zu Hause insgesamt den Anforderungen und Bedürfnissen der Mitarbeiter entspricht, wurden die Qualität und Ergonomie der Arbeitsmöbel als unzureichend eingestuft.

In den ersten vier Homeoffice-Wochen während der Corona-Pandemie mangelte es der Studie an ausreichenden Informationen, und die Arbeitsleistung fiel geringer als sonst aus. Ab Woche 5 stieg beides bis Woche 12 stark an, danach erfolgte jedoch ein konstanter Rückgang. 28 Prozent der Befragten mussten zudem parallel allerdings Betreuungsaufgaben bewältigen, was oft zu Nacht- und Wochenendarbeit geführt und sich negativ auf ihre Produktivität ausgewirkt hat.

Fazit ist, dass Arbeitnehmer*innen im Homeoffice und im Büro ähnlich produktiv arbeiten können, zumindest wenn man über ein eigenes Arbeitszimmer verfügt. Und: "Konzentrierte Einzelarbeit kann im Homeoffice sogar deutlich besser durchgeführt werden, was auf einen Mangel an Möglichkeiten zur Konzentration im Büro hinweist. Hier gibt es also einen konkreten Handlungsbedarf", so Milena Bockstahler, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IAO, "es müssen also sowohl in den eigenen vier Wänden als auch im Büro die besten Voraussetzungen für unterschiedliche Tätigkeiten geschaffen und die jeweiligen Vorteile der Arbeitsmodelle stärker herausgearbeitet werden." Die Studie steht kostenlos zum Download auf der Fraunhofer-IAO-website parat.

 

BAMS-Studie zur Arbeitszufriedenheit
Das geplante "Mobile-Arbeit-Gesetz", das Arbeitsminister Hubertus Heil im September 2020 vorgestellt hatte, wurde so nicht umgesetzt. Begleitend hatte das Arbeitsministerium eine Studie in Auftrag gegeben, die ebenfalls im Frühsommer stattfand. Experten des IZA (Institut Arbeit und Qualifikation), des ZEW (Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung GmbH) und des IZA (Institute of Labor Economics) haben die Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice untersucht. Link zur Auswertung der Studie hier.

Erkenntnis: Für 84 Prozent der Beschäftigten, die im Juli und August 2020 von zu Hause oder einem anderen Ort aus gearbeitet haben, ist es wichtig, einen Arbeitgeber zu haben, der ihnen dies ermöglicht. Eine deutliche Mehrheit von etwa zwei Dritteln präferiert ein Modell, bei dem sie nur einige Tage in der Woche im Homeoffice arbeitet und die übrigen Tage im Betrieb. Die Studie belegt auch die positiven Wirkungen ortsflexiblen Arbeitens auf Arbeitszufriedenheit und Produktivität, betont die reduzierten Pendelzeiten und weist auch darauf hin, dass Homeoffice-Möglichkeiten mittlerweile auch zu einer höheren Arbeitgeberattraktivität führen.

 

Struktur schaffen im Homeoffice
Sich Struktur schaffen, trotz Homeoffice morgens einmal das Haus verlassen und einen Arbeitsweg simulieren, sich zuhause ein richtiges Büro einrichten, Pausen einlegen und vor allem abends bewusst Schluss machen – solche Ratschläge zirkulieren schon seit längerem. Denn Disziplin ist ja erlernbar. Im Homeoffice Ordnung zu halten macht den Anfang, so die japanische Aufräum-Queen Marie Kondō, der Netflix eine eigene Serie gewidmet hat. Ihr neues Buch ist mittlerweile auf Deutsch erschienen, "Joy at Work: Aufgeräumt und erfolgreich im Arbeitsleben" und handelt davon, wie wichtig es ist, seinen Arbeitsplatz ordentlich zu halten, um Überblick und Kontrolle zu bewahren.

 

Mehr:
Debatte über Homeoffice I, VARIO Magazin vom 15. Mai 2020

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