Wenn die 1000-Likes-Glocke bimmelt, wenn der Kollege schon wieder quatscht und das Juchzen und Lachen aus dem Playground den letzten Nerv raubt, dann ist der Zeitpunkt reif für die Zelle. Für die Telefonzelle. Manche nennen sie auch Box, Telephone Booth oder Quiet Place. Mag sie aus Holz, Kunststoff oder Glas sein, schlicht im Design, futuristisch mit Liegefläche oder im originalgetreuen Rot alter englischer Telefonhäuschen – hauptsache schallisoliert. Und am liebsten uneinsehbar, um für Momente ungestört zu sein.
Biologisch ist die Zelle die kleinste lebende Einheit. Sprachlich assoziativ ist sie mit der Gefängniszelle verbunden. Als Mönchzelle birgt sie Einkehr, Ruhe, Konzentration in sich. In Großraumbüros mit den Klagen über schlechte Akustik, dem unfreiwilligen Mithören von Gesprächen und mangelnder Privatsphäre erlebt die Telefonzelle ihre Renaissance als Ort, um Telefongespräche in aller Diskretion zu führen, dabei die Bürokollegen nicht zu stören, aber auch als schnelle Rückzugsmöglichkeit, als Denkort jenseits des eigenen Schreibtisches. Je nach Modell sind diese Telefonzellen mit Notiz-Zetteln, Schreibplatte, Wlan, Stromanschluss ausgestattet.
Diese kleinen Büros-im-Büro werden in Amerika mittlerweile auch in Flughäfen, Cafés oder Hotellobbys aufgestellt. Die Ratingener Designfirma Habicht + Habicht hat für eine Düsseldorfer Werbeagentur alte gelbe Post-Telefonhäuschen im Upcycling neu ausgestattet, sie sollen dort so beliebt sein, dass schon mal Schlange gestanden wird. Der Hersteller Jabbrrbox mit Sitz in New York City produziert seine Büro-Telefonzellen seit 2014, in diesem Frühjahr wurde die erste Jabbrrbox im New Yorker Flughafen LaGuardia eingerichtet, Nutzungsgebühr 15 Dollar pro Stunde. Dafür gibt es eigenes Highspeed-Wifi, Bluetooth, Konferenztechnik und andere Gadgets. Nur über eines verfügen diese Telefonzellen im Smartphone-Zeitalter nicht mehr: über ein Telefon.
Jabbrrbox Transports The Office To The Airport, Forbes Magazin vom 19. April 2018
Stilles Örtchen, Süddeutsche Zeitung vom 10. April 2018
Fotos unten: Costa Coffee Verwaltung Essex by Phlillip Vile, Adobe Offices London by Mark Cocksedge, Büro von Moore Design Paris by Charlotte Studio